Verwaltungsgericht Göttingen Urteil, 27. Jan. 2016 - 2 A 931/13

published on 27/01/2016 00:00
Verwaltungsgericht Göttingen Urteil, 27. Jan. 2016 - 2 A 931/13
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Tatbestand

1

Die Kläger sind georgische Staatsangehörige yezidischer Religionszugehörigkeit. Sie reisten von Tiflis (Georgien) kommend über die weißrussische Stadt Brest mit der Bahn in das Gebiet der Europäischen Union ein und beantragten wohl am 19. Dezember 2012 bei der polnischen Grenzschutzbehörde der Stadt Terespol (Polen) Asyl. Zu ihren Einreisemodalitäten haben sie sich im Rahmen der persönlichen Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 7. Mai 2013 u.a. dahingehend eingelassen, erst im zweiten Versuch auf das Gebiet der Republik Polen gelangt zu sein; beim ersten Versuch unmittelbar nach der Ankunft in Brest am 18. Dezember 2012 seien sie an der Grenze noch abgewiesen worden. Sie seien dann am 19. Dezember 2012 mit dem Zug zunächst von Brest nach Terespol und anschließend von dort nach Warschau weitergereist; von Warschau aus seien sie mit dem Taxi nach Paris und weiter nach Limoges (Frankreich) gefahren. Dort hätten sie sich bis Anfang April 2013 bei dem Bruder der Klägerin zu 2.) aufgehalten. In die Bundesrepublik Deutschland seien sie am 2. April 2013 eingereist. Insgesamt hätten sie sich lediglich 2 Tage auf polnischem Gebiet aufgehalten. Sie hätten weder in Polen noch in Frankreich um Asyl nachgesucht. Allerdings hätten sie in beiden Staaten bei Behörden vorgesprochen und es seien Daten von ihnen erhoben worden. Der Kläger zu 1.) hat sich ergänzend dahingehend eingelassen, er wisse nicht genau, ob er einen Asylantrag in Polen gestellt habe; sie hätten dies jedenfalls „nur wegen der Papiere gemacht.“

2

Auf das am 8. Oktober 2013 gestellte Übernahmeersuchen des Bundesamtes erklärte das Office for Foreigners of the Republic of Poland - Department for Refugee Procedures - mit Schreiben vom 11. Oktober 2013 seine Zuständigkeit für die Wiederaufnahme der Kläger gem. Artikel 16 Abs. 1 d) der Dublin-II-Verordnung.

3

Daraufhin entschied das Bundesamt mit angefochtenem Bescheid vom 4. November 2013, den Klägern am 7. November 2013 zugestellt, dass ihre am 10. April 2013 gestellten (weiteren) Asylanträge unzulässig seien (Ziffer 1) und ihre Abschiebung nach Polen angeordnet werde (Ziffer 2). Zur Begründung verweist das Bundesamt im Wesentlichen auf die von Polen gem. Artikel 16 Abs. 1 d) der Dublin-II-Verordnung erklärte Zuständigkeit für die Asylanträge der Kläger. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gem. Artikel 3 der Dublin-II-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich.

4

Hiergegen haben die Kläger am 13. November 2013 die vorliegende Klage erhoben und zeitgleich um die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung ihrer Klage und ihres Antrags tragen sie im Wesentlichen vor, das polnische Asylsystem genüge nicht europäischen Mindeststandards, insbesondere seien die Aufnahme- und Unterbringungsbedingungen für Asylbewerber sowie deren sozialer Schutz und der Zugang zu medizinischer Versorgung nicht zureichend, weil mit systemischen Mängeln behaftet. Sie müssten damit rechnen, nach ihrer Überstellung in Polen inhaftiert zu werden, da sie während eines laufenden Asylverfahrens Polen illegal verlassen hätten; selbst die minderjährige Klägerin zu 3.) müsse mit ihrer Inhaftierung rechnen. Jedenfalls sei die Zuständigkeit für die Bearbeitung ihrer Asylanträge auf die Beklagte übergegangen, da die Wiederaufnahmeersuchen vom Bundesamt ohne rechtfertigenden Grund verzögert gestellt worden seien.

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Jedenfalls sei zum maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage gem. § 77 Abs. 1 AsylG die 6-monatige Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 1 d) Satz 2 der Dublin-II-Verordnung abgelaufen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Einzelrichters in seinem abändernden Beschluss vom 30. Juni 2014 - 2 B 86/14 - nähmen sie zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Auf den Ablauf der Überstellungsfrist könnten sie sich subjektiv berufen.

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Die Kläger beantragen sinngemäß,

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den Bescheid des Bundesamtes vom 4. November 2013 aufzuheben,

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hilfsweise

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die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 4. November 2013 von ihrem Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung Gebrauch zu machen und sich für die Durchführung eines Asylverfahrens für zuständig zu erklären und ein solches durchzuführen,

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hilfsweise

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festzustellen, dass in der Person der Kläger ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 2, 5 oder 7 AufenthG oder § 60a AufenthG vorliegt.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verweist zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid und ergänzt, es gebe für das Wiederaufnahmeverfahren des Art. 20 keine Fristen, innerhalb derer ein Übernahmeersuchen zu stellen sei. Daneben sei auch die 6-monatige Frist für die Überstellung der Klägerin gem. Art. 20 Abs. 1 d) Satz 2 der Dublin-II-Verordnung noch nicht abgelaufen, deswegen sei die Zuständigkeit nicht auf sie gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 der Dublin-II-Verordnung übergegangen. Aufgrund des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens 2 B 932/13 hätte diese Frist erst am 24. Juli 2014 geendet; gem. Art. 20 Abs. 1 d) Satz 2 Alt. 2 der Dublin-II-Verordnung habe die Überstellungsfrist nach Zustellung des Beschlusses des Einzelrichters vom 21. Januar 2014 - 2 B 932/13 - am 24. Januar 2014 erneut zu laufen begonnen. Noch vor Fristablauf am 24. Juli 2014 habe der Einzelrichter die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet, sodass die Überstellungsfrist gem. Art. 20 Abs. 1 d) Satz 2 Alt. 2 der Dublin-II-Verordnung erst nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache ablaufe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz des Bundesamtes vom 25. Juli 2014 verwiesen.

15

Der Einzelrichter hat mit Beschluss vom 21. Januar 2014 - 2 B 932/13 - den Antrag der Kläger auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vorliegenden Klage gegen die im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes enthaltene Abschiebungsanordnung im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, für das Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 der Dublin-II-Verordnung existierten keine festen Ausschlussfristen und eine unangemessene Verzögerung des Wiederaufnahmeverfahrens könne aufgrund der Geburt der Klägerin zu 3.) nicht festgestellt werden. Mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens in Polen könnten die Kläger schon deswegen nicht durchdringen, weil sie sich offenbar nur ca. 2 Tage auf polnischem Gebiet aufgehalten und ihre Asylgesuche gegenüber den polnischen Grenzschutzbehörden nur zum Zwecke der Schaffung einer Transitmöglichkeit durch den Schengen-Raum missbräuchlich gestellt hätten.

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Nachdem die zuständige Ausländerbehörde gegenüber dem Einzelrichter fernmündlich am 18. Juni 2014 mitgeteilt hatte, dass nach ihrer Rechtsauffassung die 6-monatige Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 1 d) Satz 2 der Dublin-II-Verordnung am 11. April 2014 abgelaufen sei, ordnete der Einzelrichter im Wege der Abänderung gem. § 80 Abs. 7 VwGO mit Beschluss vom 30. Juni 2014 - 2 B 86/14 - (veröffentlicht in juris), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage an.

17

Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 31. Juli 2014 und das Bundesamt mit allgemeiner Prozesserklärung vom 21. August 2015 - MB 8-7604/04-15 - einer Entscheidung durch den Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Die Kammer hat mit Beschluss vom 21. Januar 2014 den Rechtsstreit gem. § 76 Abs. 1 AsylVfG dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

18

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte 2 B 86/14, der beigezogenen Verwaltungsakte des Bundesamtes (Beiakte A) und der beigezogenen Ausländerakten (Beiakten B und C) des Landkreises Osterode am Harz verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

19

Der Einzelrichter konnte über die vorliegende Klage ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben zu dieser Verfahrensweise ihr Einverständnis erklärt, § 101 Abs. 2 VwGO.

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Die zulässige Klage ist unbegründet, denn die in Ziffer 1.) des angefochtenen Bescheids des Bundesamtes vom 4. November 2013 enthaltene rechtsgestaltende Regelung über die Zulässigkeit der in Deutschland gestellten (weiteren) Asylanträge verletzt die Kläger jedenfalls nicht in ihren subjektiven Rechten, was gesetzliche Voraussetzung für eine Aufhebung des angefochtenen Bescheids ist, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

21

Der im vorliegenden Verfahren maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetzes zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner (LPartRBerG) vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010). Es kann daher zum heutigen Zeitpunkt offen bleiben, ob Ziffer 1.) des Bescheids des Bundesamtes vom 4. November 2013 rechtmäßig oder aus den vom Einzelrichter in seinem abändernden Beschluss vom 30. Juni 2014 - 2 B 86/14 - dezidiert dargelegten Gründen zum Ablauf der Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 1 d) Satz 2 der VO (EG) 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und des Verfahrens zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. EU L 50 vom 25. Februar 2003, S. 1) - sog. Dublin-II-Verordnung -, geändert durch VO (EG) 1103/2008 vom 22. Oktober 2008 (ABl. EU L 304 vom 14. November 2008, S. 80), während des Klageverfahrens rechtswidrig geworden ist. Jedenfalls können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf den Ablauf der 6-monatigen Überstellungsfrist berufen.

22

Der Einzelrichter folgt nach eingehender Beratung durch die Kammer der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses hat durch Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32/14 -, zit. nach juris, nunmehr höchstrichterlich geklärt, dass jedenfalls im Fall der Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats zur Aufnahme oder Wiederaufnahme die in der Dublin-II-Verordnung geregelten Fristen für die Stellung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers begründen (a.a.O., Rn. 17). Zur Begründung führt das Bundesverwaltungsgericht u.a. aus (a.a.O., Rn. 20):

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„Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil in der Rechtssache "Abdullahi" entschieden, dass in einer Situation wie der vorliegenden, in der der ersuchte Mitgliedstaat der Aufnahme des Asylbewerbers zugestimmt hat, der Betroffene der Entscheidung, den Asylantrag nicht zu prüfen und den Asylbewerber in einen anderen Mitgliedstaat zu überstellen, nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der GRC ausgesetzt zu werden (EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 [ECLI:EU:C:2013:813], Abdullahi - Rn. 60). Derartige systemische Mängel sind im vorliegenden Verfahren für Spanien weder gerichtlich festgestellt noch von den Verfahrensbeteiligten vorgetragen worden. In diesem Fall kann sich ein Asylbewerber nicht auf einen Fristablauf berufen, weil die Fristbestimmungen des Dublin-Regimes für die (Wieder-)Aufnahme lediglich als zwischen den Mitgliedstaaten wirkende Organisationsvorschriften anzusehen sind. Sie dienen einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne dem Antragsteller dadurch einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: März 2015, § 27a AsylVfG Rn. 65; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: November 2014, § 27a AsylVfG Rn. 196.1.; Bergmann, ZAR 2015, 81 <84>). Ein erneuter Klärungsbedarf dieser Frage ergibt sich insoweit auch nicht aus zwei anhängigen Vorlageverfahren beim Gerichtshof der Europäischen Union, da sich diese nicht auf die Auslegung der hier maßgeblichen Dublin II-VO beziehen, sondern auf die Frage, ob die Rechtslage bei Anwendung der Dublin III-VO anders zu beurteilen ist (Vorlage der Rechtbank Den Haag/ Niederlande vom 12. Februar 2015 - C-63/15 - Ghezelbash und Vorlage des Kammarrätten i Stockholm/Schweden vom 1. April 2015 - C-155/15 - Karim).“

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Dem schließt sich der erkennende Einzelrichter an und stellt klar, dass diese Ausführungen auch auf den Ablauf der 6-monatigen Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 1 d) Satz 2 der Dublin-II-Verordnung zutreffen, denn das Bundesverwaltungsgericht hat in dem zitierten Urteil vom 27. Oktober 2015 (a.a.O., Rn. 17) insoweit ausdrücklich die Sichtweise der Vorinstanz bestätigt. Denn das Berufungsgericht (Hessischer VGH, Urteil vom 25. August 2014 - 2 A 976/14.A -, InfAuslR 2014, S. 457 f., zit. nach juris Rn. 15) hat in seine Überlegungen auch die Überstellungsfrist einbezogen und wörtlich ausgeführt:

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„Unabhängig davon, dass entgegen der Auffassung der Kläger und des Verwaltungsgerichts Deutschland objektiv nicht zuständig geworden ist für die Behandlung ihres Asylantrags, können die Kläger aber auch - ebenfalls entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - kein subjektives Recht auf Einhaltung der Zuständigkeits- und Fristvorschriften der Dublin-II-Verordnung geltend machen. Auch aus diesem selbstständigen Grund ist die Klage abzuweisen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Fristbestimmungen der Dublin-II-Verordnung für Übernahmeersuchen und Überstellung dienen allein einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zeitnahen Überstellung in diesen Staat (VGH Baden-Württemberg, a. a. O., Rn. 25; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris; siehe auch Berlit, Anmerkung zu BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris PR-BVerwG 12.2014). Ein Asylbewerber kann der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegen treten (BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, juris; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris).“

26

Systemische Mängel liegen in Polen derzeit nicht vor (st. Rspr. der Kammer im Anschluss an ihren Beschluss vom 8. Mai 2014 - 2 B 145/14 -, zit. nach juris Rn. 27 m.w.N.). Diese Auffassung wird in der jüngeren verwaltungsgerichtlichen Judikatur allgemein geteilt (vgl. etwa VG Ansbach, Beschluss vom 10. Dezember 2015 - AN 14 K 15.50373 -, zit. nach juris Rn. 36 f. m.w.N.). Ohnehin könnten sich die Kläger auf das Vorliegen systemischer Mängel in Polen nicht berufen, weil sie die dortige Asylantragstellung lediglich rechtsmissbräuchlich zur Schaffung einer Transitmöglichkeit vorgenommen haben. Auf die Gründe des Beschlusses des Einzelrichters vom 21. Januar 2014 - 2 B 932/13 - wird insoweit Bezug genommen. Dies entspricht der ständigen Spruchpraxis der erkennenden Kammer (grundlegend: Beschluss vom 3. Januar 2014 - 2 B 763/13 -, zit. nach juris Rn. 21).

27

Die zulässige Anfechtungsklage hat auch im Hinblick auf die in Ziffer 2.) des angefochtenen Bescheids enthaltene Abschiebungsanordnung keinen Erfolg, denn diese Regelung erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren subjektiven Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

28

Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem zitierten Urteil vom 27. Oktober 2015 (a.a.O., Rn. 24) die dort streitgegenständliche Abschiebungsanordnung unter Bezugnahme auf die Gründe des vorinstanzlichen Urteils für rechtmäßig erachtet. Der Hessische VGH hat hierzu in seinem Urteil vom 25. August 2014 (a.a.O., Rn. 16) ausgeführt:

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„Auch die ergangene Abschiebungsanordnung ist rechtmäßig. Nach § 34a AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass diese durchgeführt werden kann. Dies setzt neben der Zustimmung des für das Asylverfahren zuständigen Staates voraus, dass die Abschiebung rechtlich und tatsächlich möglich ist. Im Rahmen der „rechtlichen Möglichkeit“ der Abschiebung sind persönliche Abschiebungshindernisse wie Reiseunfähigkeit zu prüfen. Die Abschiebung ist rechtlich nicht möglich, wenn ihre Durchführung insbesondere zu einem Verstoß gegen das Grundrecht auf Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) führen würde. Derartige persönliche Abschiebungshindernisse sind im Fall der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG vom Bundesamt zu prüfen, und nicht wie in den Fällen des Ergehens einer Abschiebungsandrohung von der Ausländerbehörde. Dies entspricht der einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung (siehe OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris Rn. 7; OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. Mai 2012 - 13 MC 22/12 -, juris Rn. 27; Bay. VGH, Beschluss vom 28. Oktober 2013 - 10 CE 13.2257 -, juris Rn. 4 m. w. N.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris Rn. 4), der sich der Senat anschließt. Die Abschiebungsanordnung darf deshalb erst ergehen, wenn feststeht, dass sie durchgeführt werden kann, d. h. wenn die Abschiebung rechtlich und tatsächlich möglich ist (siehe so auch Funke-Kaiser in GK, AsylVfG, § 34a Rn. 21 f.). Im gerichtlichen Verfahren gegen einen Bescheid, der die Abschiebung anordnet, hat das Gericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) über das Vorliegen von persönlichen Abschiebungshindernissen zu entscheiden.“

30

Unter Berücksichtigung dieser zutreffenden Rechtsansicht des Hessischen VGH hält der Einzelrichter nach eingehender Beratung in der Kammer an den Ausführungen zur subjektiv-rechtlichen Dimension einer Rechtsverletzung durch eine rechtswidrige Abschiebungsanordnung in dem abändernden Beschluss vom 30. Juni 2014 - 2 B 86/14 -, zit. nach juris Rn. 16 ff. m.w.N., fest. Er stellt allerdings klar, dass sich diese regelmäßig nicht mit dem bloßen Verweis auf einen Ablauf der Frist zur Stellung des Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuchs oder zur Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat begründen lässt.

31

Der Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG („Soll der Ausländer … in einen für die Durchführung des Asylverfahrenszuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden,…) suggeriert zwar eine gerichtliche Prüfung der Frage, ob der übernahmebereite Staat nach den Vorschriften der Dublin-II-Verordnung auch tatsächlich zuständig oder aber die Zuständigkeit durch Fristablauf auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergegangen ist. Einer inhaltlichen Prüfung der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin-II-Verordnung durch das Bundesamt im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG steht allerdings entgegen, dass die Zustimmung des übernahmebereiten Mitgliedstaates nach Art. 19 Abs. 1 bzw. 20 Abs. 1 d) Satz 1 der Dublin-II-Verordnung unionsrechtlich unmittelbar eine Zuständigkeitsbestimmung zur Folge hat, die keine geringere Qualität besitzt als jede andere Zuständigkeitsnorm, die gleichfalls die Nichtanwendung des Art. 16a GG oder der §§ 3 ff. AsylG auslöst (vgl. Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, Stand: 102. Erg.lfg. November 2014, § 27a Rn. 55). In der Literatur wird deshalb unter Berufung auf den Beschluss des BVerwG vom 19. März 2014 - 10 B 6/14 -, NVwZ 2014, S. 1039 f., zit. nach juris) zutreffend vertreten, dass sich die Reichweite einer verwaltungsgerichtlichen Prüfung der Abschiebungsanordnung bei einem aufnahme- bzw. wiederaufnahmebereiten Mitgliedstaat neben der Prüfung des Vorliegens persönlicher Abschiebungshindernisse ausdrücklich auf das Vorliegen systemischer Mängel in diesem Mitgliedstaat zu beschränken hat. Mit anderen Worten kann im Rahmen der Prüfung der Abschiebungsanordnung nicht geltend gemacht werden, dass das Bundesamt oder aber die zuständige Stelle des aufnahme- bzw. wiederaufnahmebereiten Mitgliedstaates die Zuständigkeitsregelungen der Dublin-II- bzw. Dublin-III-Verordnung objektiv-rechtlich unrichtig angewendet haben. Insbesondere kann bei erfolgter Zustimmung zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme nicht eingewendet werden, dass an sich die Frist für das Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch abgelaufen gewesen sei oder sonst das Bundesamt das Verfahren nicht mit der gebotenen Beschleunigung durchgeführt habe (vgl. Berlit in: juris-PR-BVerwG 12/2014 Anm. 3, Abschnitt C, 3. Abs., unter Bezugnahme auf VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, zit. nach juris Rn. 25 ff.).

32

Etwas anderes kann nach Auffassung des Einzelrichters nur für den (wohl seltenen) Fall gelten, dass der übernahmebereite Mitgliedstaat - hier Polen - spätestens zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des erkennenden Gerichts etwa gegenüber dem Bundesamt zu erkennen gegeben hat, dass er aufgrund des - von ihm ggf. unterstellten - Verstreichens der Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 der Dublin-II-Verordnung - ggf. unter Berücksichtigung von Verlängerungsmöglichkeiten nach Satz 2 dieser Vorschrift - trotz der vor einiger Zeit erteilten Zustimmung zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme nun nicht mehr bereit ist, den betroffenen Asylbewerber zurückzunehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, NVwZ 2015, S. 92 ff., zit. nach juris Rn. 60). Nur in dieser Ausnahmekonstellation besteht nach Auffassung des Einzelrichters die Möglichkeit für den betroffenen Asylbewerber, sich auf eine fehlende Rückübernahmebereitschaft des ersuchten Mitgliedstaates etwa wegen Verstreichens der Überstellungsfrist zu berufen, denn ihm kann es nicht zugemutet werden, einen von vorn herein aussichtslosen Versuch der Überstellung im Wege des Verwaltungszwangs erdulden zu müssen. Eine rein theoretische Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige und auch eine überschaubare zeitliche Dimension der Überstellung umfassende Fakten untermauert wird, verletzt das dem Dublinsystem immanente Beschleunigungsgebot (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 -, NVwZ 2015, S. 1155 ff., zit. nach juris Rn. 32 m.w.N.).

33

Für eine fehlende Übernahmebereitschaft Polens im Hinblick auf die Kläger bestehen im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage indes keinerlei Anhaltspunkte,  weil Polen den Ablauf der Überstellungsfrist bislang nicht eingewendet hat. Insofern liegt der Sachverhalt hier anders als in dem vom VGH Baden-Württemberg mit Urteil vom 29. April 2015 (a.a.O., Rn. 31) entschiedenen Fall, in dem die Ermittlungen der Beklagten ergeben haben, dass sich Polen auf die Zuständigkeit der Bundesrepublik berufen und eine (Rück-)Überstellung der dortigen Kläger betreiben würde. Der Einzelrichter kann hier von einer zeitnahen Möglichkeit der Überstellung ausgehen, weil offenbar die übernahmebereiten Mitgliedstaaten regelmäßig die nationalen Vorgaben und Mitteilungen des Bundesamtes zum Ablauf der 6-monatigen Überstellungsfrist akzeptieren, etwa weil der Beginn des Laufs der Überstellungsfrist bei einem erfolglos durchgeführten Eilrechtsschutzverfahren rechtlich umstritten ist und bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt wurde (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2014, a.a.O., Rn. 60). Da das Bundesamt im vorliegenden Verfahren die nicht völlig abwegige, indes im Beschluss vom 30. Juni 2014 - 2 B 86/14 - vom Einzelrichter nicht geteilte Rechtsauffassung vertritt, die Überstellungsfrist beginne erst nach rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden Hauptsacheverfahrens zu laufen, muss der Einzelrichter gegenwärtig davon ausgehen, dass das polnische Amt für Ausländer diese Sichtweise des Bundesamtes für das Überstellungsverfahren teilt und die Kläger nach rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden Klageverfahrens innerhalb einer Frist von 6 Monaten zurücknimmt.

34

Anhaltspunkte für das Vorliegen von persönlichen Abschiebungshindernissen in der Person der Kläger bestehen nicht.

35

Die Hilfsanträge der Kläger haben ebenfalls keinen Erfolg. Sie sind unzulässig. Durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2015 (a.a.O., Leitsatz 1 und Rn. 13 f.) ist höchstrichterlich geklärt, dass die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart ist, wenn ein Asylbewerber die Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung seines Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin-II-Verordnung begehrt.

36

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Annotations

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.