Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Feb. 2020 - 2 StR 517/19
Gericht
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu Ziffer 2. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 5. Februar 2020 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) im gesamten Strafausspruch und
b) soweit die Einziehung des Personenkraftwagens VW Passat, amtliches Kennzeichen , nebst Fahrzeugpapieren und Fahrzeugschlüssel, sowie die Einziehung des iPhone, silber, schwarzes Ledercover, angeordnet wurde. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, Wertersatzeinziehung in Höhe von 33.300 Euro angeordnet, das zur Tatbegehung genutzte Grundstück und den verwendeten Personenkraftwagen VW sowie diverse – im Urteilstenor ebenfalls näher bezeichnete – sichergestellte und beschlagnahmte Gegenstände, darunter ein silberfarbenes iPhone eingezogen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- 1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat im Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
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- 2. Der Strafausspruch hat hingegen keinen Bestand.
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- a) Die in sämtlichen drei abgeurteilten Fällen verhängten Einzelstrafen unterliegen schon deshalb der Aufhebung, weil das Landgericht sowohl bei Ablehnung der Annahme minder schwerer Fälle im Sinne von § 29a Abs. 2 BtMG als auch bei der anschließenden konkreten Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten rechtsfehlerhaft berücksichtigt hat, der Angeklagte, der „selbst kein Drogenkonsument oder gar drogenabhängig“ war, habeauch „nicht unter dem Eindruck einer existenzbedrohenden finanziellen Notlage“ gehandelt; die Taten „erfolgten vielmehr allein aus Gewinnstreben, wobei sie […] Züge organisierter Kriminalität trugen“. Diese Formulierungen lassen besorgen, dass die Strafkammer entgegen § 46 Abs. 3 StGB mit dem Gewinnstreben einen bereits zum Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gehörenden Umstand verwertet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2018 – 4 StR 100/18, NStZ-RR 2018, 286; Senat, Beschlüsse vom 31. Januar 2017 – 2 StR413/16, NStZ-RR 2017, 147 und vom 29. April 2014 – 2 StR 616/13, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 7). Jedenfalls hat das Landgericht hiermit rechtsfehlerhaft das Fehlen möglicher Strafmilderungsgründe zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 532/10, NStZ-RR 2011, 271).
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- b) Hinsichtlich der am 14. Januar 2019 begangenen Tat hat die Strafkammer zudem nicht in die Strafzumessung eingestellt, dass die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittel sichergestellt wurden und deshalb nicht in den Verkehr gelangten.
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- Bei diesem Gesichtspunkt handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen des damit verbundenen Wegfalls der von Betäubungsmitteln üblicherweise ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund, der sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung zu beachten ist (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2017 – 3 StR 483/16, StraFo 2017, 117 mwN) und der demzufolge gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO in den Gründen des Strafurteils angeführt werden muss (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 – 4 StR 169/13, NStZ 2013, 662).
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- c) Das Landgericht hat die Einziehung des zur Tatbegehung gebrauchten PKW des Angeklagten auf § 74 Abs. 1 StGB gestützt. Es hat dabei zwar grundsätzlich bedacht, dass eine Maßnahme nach dieser Vorschrift den Charakter einer Nebenstrafe hat und damit eine Strafzumessungsentscheidung darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2019 – 3 StR 522/18, StV 2019, 739). Wird dem Täter auf diese Weise ein ihm zustehender Gegenstand von nicht unbeträchtlichem Wert entzogen, ist dies als bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (st. Rspr.; Senat, Beschluss vom 5. November 2019 – 2 StR 447/19, juris Rn. 4 mwN siehe auch SSW-StGB/Heine, 4. Aufl., § 74 Rn. 3). Eine solche Gesamtbetrachtung hat das Landgericht indes nicht ausreichend vorgenommen; zu dem Wert des PKW hat es keine Feststellungen getroffen.
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- d) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Beachtung der oben dargelegten Grundsätze die Einzelstrafen milder bemessen hätte. Der Wegfall der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
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- 3. Die Einziehungsentscheidung hat hinsichtlich des Personenkraftwagens VW und des silberfarbenen iPhones keinen Bestand; im Übrigen ist sie rechtsfehlerfrei.
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- a) Bereits der Wegfall des Strafausspruchs führt – unbeschadet fehlender Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 74f StGB – zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung des zur Tatbegehung genutzten PKW; denn diese steht mit der Bemessung der Strafe – wie beschrieben – in einem untrennbaren inneren Zusammenhang (vgl. Senat, Beschluss vom 5. November 2019 – 2 StR 447/19, juris Rn. 6 mwN).
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- b) Die offensichtlich auf § 74 Abs. 1 StGB gestützte Einziehungsentscheidung hinsichtlich des silberfarbenen iPhone hält rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand. Weder kann den Feststellungen und den sie tragenden Beweiserwägungen zweifelsfrei entnommen werden, dass der Angeklagte dieses Mobiltelefon als Tatmittel verwendet hat, noch belegen die Urteilsgründe, dass sich das Landgericht des Umstands bewusst gewesen ist, eine Ermessensentscheidung zu treffen.
Vorinstanz:
Stralsund, LG, 09.07.2019 - 514 Js 14402/18 22 KLs 10/19
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.
(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.
(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.
(1) Ist die Einziehung nicht vorgeschrieben, so darf sie in den Fällen der §§ 74 und 74a nicht angeordnet werden, wenn sie zur begangenen Tat und zum Vorwurf, der den von der Einziehung Betroffenen trifft, außer Verhältnis stünde. In den Fällen der §§ 74 bis 74b und 74d ordnet das Gericht an, dass die Einziehung vorbehalten bleibt, wenn ihr Zweck auch durch eine weniger einschneidende Maßnahme erreicht werden kann. In Betracht kommt insbesondere die Anweisung,
- 1.
die Gegenstände unbrauchbar zu machen, - 2.
an den Gegenständen bestimmte Einrichtungen oder Kennzeichen zu beseitigen oder die Gegenstände sonst zu ändern oder - 3.
über die Gegenstände in bestimmter Weise zu verfügen.
(2) In den Fällen der Unbrauchbarmachung nach § 74d Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3 gilt Absatz 1 Satz 2 und 3 entsprechend.
(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.
(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.
(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.