Verwaltungsgericht München Urteil, 16. Okt. 2014 - 22 K 14.1663

originally published: 28/05/2020 07:58, updated: 16/10/2014 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 16. Okt. 2014 - 22 K 14.1663
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Gericht

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Tenor

I.

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger zu 1) ist der Bundesverband, der Kläger zu 2) der Landesverband Bayern des Vereins „... e.V.“ (...). Die Kläger wenden sich mit ihren Klagen im Wesentlichen gegen ihre Beobachtung durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) des Beklagten.

Laut seiner Satzung verfolgt ... den Zweck, das demokratische Staatswesen im Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland dadurch zu fördern, dass er die Öffentlichkeit unabhängig von politischen Parteien oder sonstigen Interessengruppen wertneutral über die Ausbreitung des Islams in Europa und die damit verbundenen Folgen für das Staatswesen unterrichtet. Der Verein fördere den Erhalt der Wertegemeinschaft der christlich-jüdisch geprägten europäischen Kultur, die der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zugrunde liege. Der Verein kläre über Bestrebungen auf, diese freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage zu stellen und langfristig zugunsten islamisch geprägter Interessensgruppen zu verändern. Damit fördere der Verein das demokratische Staatswesen und trage zu seinem Erhalt bei (Satzung der ... e.V., § 2 Abs. 1).

Der Kläger zu 1) hat nach eigenen Angaben etwa 1000, der Kläger zu 2) etwa 100 Mitglieder. Mitglied ist auch der derzeitige Bundesvorsitzende der Partei „Die Freiheit“ ... Dieser bekleidete im Zeitraum von Januar 2010 bis November 2011 das Amt des Pressesprechers des Klägers zu 2), anschließend übernahm er bis Ende 2013 die Funktion des Landesverbandsvorsitzenden beim Kläger zu 2).

Seit 2013 ist der Kläger zu 2) Beobachtungsobjekt des Beklagten. Im Verfassungsschutzbericht 2013 des Beklagten findet der Kläger zu 2) in dem Kapitel „verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ (Seite 136 ff.) Erwähnung. Bezogen auf den Kläger zu 2) wird auf Seite 141 des Verfassungsschutzberichts 2013 ausgeführt:

„Bei der ... Bayern handelt es sich um eine verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebung außerhalb des Rechtsextremismus, die den Islam insgesamt als „vorsteinzeitliche, nazistische und frauenverachtende Ideologie“ ansieht.

Prägend für die Ausrichtung der ... Bayern ist insbesondere ..., der sowohl als Vorsitzender der FREIHEIT Bayern, als Leiter von ... und als Vorsitzender von ... Bayern die ideologische Ausrichtung bestimmt und öffentlichkeitswirksam agiert. ... Bayern zielt darauf ab, wegen angeblicher Gefahren durch den Islam die Religionsfreiheit und die im Grundgesetz verankerte staatliche Neutralität und Toleranz gegenüber Muslimen und islamischen Religionsgemeinschaften abzuschaffen. Anlässlich der Tags der offenen Moschee beteiligte sich die ... Bayern an einer Demonstration am ... Oktober in ... mit rd. 60 Teilnehmern. Hauptredner der Veranstaltung war der Landesvorsitzende der ... Bayern, ...

Die ... Bayern, die ihren Sitz in ... hat, kooperiert seit 2010 mit ... und seit 2011 auch mit der FREIHEIT Bayern.“

Mit Schriftsatz vom 22. April 2014 erhoben die Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Die Klage war darauf gerichtet, dass es der Beklagte zu unterlassen habe, die Kläger durch das BayLfV zu beobachten, hilfsweise, dies unter Verwendung polizeilicher und/oder nachrichtendienstlicher Mittel zu tun. Daneben wurde die Aufhebung der Anordnung der Beobachtung im Wege der Anfechtungsklage beantragt sowie die Verpflichtung des Beklagten, die Anordnung der Beobachtung aufzuheben.

Zur Begründung tragen die Kläger im Wesentlichen vor: Die Beobachtung des Landesverbandes bedeute zwangsläufig auch die Beobachtung des Bundesverbandes. Daher sei der Kläger zu 1) von der Beobachtung des Klägers zu 2) ebenfalls betroffen.

Es gebe keine dem Bundesrecht genügende Rechtsgrundlage für die schwerwiegenden Eingriffe in die Grundrechte der Kläger und deren Mitglieder. Die Eingriffsgrundlagen für das BayLfV im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz - BayVSG - verstießen gegen das Zitiergebot, das Bestimmtheitsgebot und das Wesentlichkeitserfordernis.

Es gebe keine tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der Kläger. Die Kläger verfolgten selbst gerade keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen, sondern im Gegenteil das Ziel, verfassungsfeindliche Bestrebungen des politischen Scharia-Islam durch Aufklärung im öffentlichen Diskurs abzuwehren. Dies ergebe sich bereits aus der Satzung der Kläger.

Äußerungen von ... seien den Klägern nicht zurechenbar. Kontroverse politische Positionen habe er als Vorsitzender der Partei „Die Freiheit“ und als freier Journalist und Autor, insbesondere auf der Seite ...News (...) im Internet, vertreten, nicht aber als Landesvorsitzender der .... Nicht zuletzt zur Vermeidung einer Vermengung von Parteipolitik und Vereinstätigkeit habe er die Vereinstätigkeit als Landesverbandsvorsitzender der ... Ende 2013 niedergelegt. Zu einer solchen Vermengung sei es aber zu keiner Zeit gekommen.

Zur Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht 2013 des Beklagten trägt der Bevollmächtigte der Kläger vor: „Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ könne es nicht geben, da die Feindschaft gegenüber dem Islam von der Religionsfreiheit gedeckt sei. Außerdem falle bloße Islamkritik - wie von den Klägern betrieben - bereits nach den Ausführungen im Verfassungsschutzbericht selbst nicht unter den Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes. ... sei nicht prägend für die Ausrichtung der ... Bayern, da er trotz seiner formalen Position als Landesverbandsvorsitzender im Jahr 2013 praktisch keine Tätigkeit entfaltet, insbesondere im Namen der ... keine Publikationen verfasst, herausgegeben oder betreut habe. Er habe nicht zuletzt wegen der Vernachlässigung der Aufgaben das Feld als Landesverbandsvorsitzender geräumt. Es sei nicht statthaft, jede unglückliche, missverständliche und möglicherweise aus dem Zusammenhang gerissene Äußerung ... den Klägern zuzurechnen. Bei der Demonstration am Tag der offenen Moschee am ... Oktober 2013 habe ... nicht als Hauptredner, sondern als Vertreter der Partei „Die Freiheit“ gesprochen.

Der Vorwurf, die ... wolle „die Religionsfreiheit und die im Grundgesetz verankerte staatliche Neutralität und Toleranz gegenüber Muslimen und islamischen Religionsgemeinschaften“ abschaffen, sei frei erfunden. Die Kläger wollten vielmehr im Rahmen ihrer Satzung informieren, bilden und öffentliche Diskurse anstoßen. „Gefahren durch den Islam“ spielten keine Rolle, sofern man unter dem Islam eine Religion verstehe, sondern nur dann, wenn man im Islam auch eine politische Ideologie sehe, die das Landesamt unter dem Stichwort „Islamismus“ in gleicher Weise kritisiere wie die Kläger unter dem Stichwort „politischer Islam“ oder „Scharia-Islam“. „Staatliche Neutralität“ und „Toleranz“ seien den Klägern heilig. Der Umfang der Religionsfreiheit müsse einem demokratischen Diskurs zugänglich sein, so z. B. die Frage, ob diese auch das Recht einschließe, Moscheen zu errichten.

Eine „Kooperation mit der Partei „Die Freiheit“ und ...“ gebe es nicht. Mit anderen Organisationen finde ein gedanklicher Austausch statt, aber keine Kooperation.

In der mündlichen Verhandlung nahm der Bevollmächtigte der Kläger die Klage teilweise zurück und beantragte zuletzt:

Der Beklagte hat es zu unterlassen, die Kläger, insbesondere durch Verwendung nachrichtendienstlicher Mittel, durch das BayLfV zu beobachten.

Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2014 beantragte der Beklagte,

die Klagen abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Der Kläger zu 1) als Bundesverband sei schon nicht klagebefugt, da er nicht Beobachtungsobjekt des BayLfV sei. Daran ändere auch die teilweise personelle Verflechtung von Bundes- und Landesverband nichts. Beobachtungsobjekt sei allein der Landesverband, Erkenntnisse über eigene extremistische Bestrebungen des Bundesverbandes in Bayern lägen dem BayLfV nicht vor. Der Kläger zu 1) könne auch nicht einen Unterlassungsanspruch für den Kläger zu 2) geltend machen, da ihm insoweit die Prozessführungsbefugnis fehle.

Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Aufhebung der Anordnung der Beobachtung bzw. auf Verpflichtung zur Aufhebung der Anordnung der Beobachtung seien nicht statthaft, da es eine solche Anordnung im Sinne einer Weisung nicht gebe und eine solche Weisung, falls es sie gäbe, als reines Behördeninternum kein Verwaltungsakt sei.

Der Antrag auf Unterlassung der Beobachtung unter Verwendung von polizeilichen und/oder nachrichtendienstlichen Eingriffsmitteln sei unzulässig, da es sich um einen bloßen Ausforschungsantrag handle. Aus grundsätzlichen Erwägungen verbiete sich eine Äußerung zu der Frage, ob und inwieweit nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt würden, weil dies über den Einzelfall hinaus nachrichtendienstliche Zugänge gefährden könne und die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des BayLfV zu befürchten sei.

Die Klagen seien auch unbegründet, da die Beobachtung des Klägers zu 2) rechtmäßig sei. Rechtsgrundlage sei der gesetzliche Auftrag gemäß Art. 3 Abs. 1 BayVSG, Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, zu beobachten und Informationen über solche Bestrebungen zu sammeln und auszuwerten. Die Rechtsgrundlage sei nach ständiger Rechtsprechung mit höherrangigem Recht vereinbar.

Die Grundsatzpapiere der Kläger offenbarten eine islamfeindliche Grundeinstellung. Zu unterscheiden sei zwischen Islamkritik mit dem Ziel, im Rahmen einer geistig-politischen Auseinandersetzung auf die Gefahren eines politischen Islam für unsere Grundwerte hinzuweisen und diese Grundwerte zu verteidigen (zulässige Meinungsäußerung i. S. v. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und Islamfeindlichkeit mit dem Ziel, im Sinne des BayVSG schutzwürdige Rechtsgüter, insbesondere Elemente der freiheitlich demokratischen Grundordnung, zu beseitigen und außer Geltung zu setzen (verfassungsschutzrelevanter Anti-Islam-Extremismus).

Die Kurzinformationen ... „Für europäische Werte und Freiheiten - Gegen eine Islamisierung Europas“ enthalte Ausführungen die darauf abzielten, wegen der (vermeintlichen) Gefahren durch den Islam die Religionsfreiheit und die im Grundsatz verankerte staatliche Neutralität und Toleranz gegenüber Religionsgemeinschaften abzuschaffen. Für die Kläger sei der Islam eine totalitäre Ideologie, die mit Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten nicht vereinbar sei. Die Kläger differenzierten nicht zwischen Islam und Islamismus und forderten einen „Stopp der Islamisierung“. Ziel sei letztendlich, durch Aufklärungstätigkeit die Gesellschaft und die politisch Verantwortlichen dazu zu bewegen, für Muslime die Religionsfreiheit, das Diskriminierungsverbot und die Menschenwürde außer Kraft zu setzen.

In zurechenbaren Aktivitäten und Äußerungen des Klägers zu 2) würden sich zahlreiche tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Bestrebung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung (insbesondere Religionsfreiheit, Menschenwürde und Diskriminierungsverbot) finden.

Diese ließen sich den Redebeiträgen von ... anlässlich der Kundgebung am ... Oktober 2013 entnehmen. ... fordere die Muslime auf, sich von ihrer Ideologie zu distanzieren, diese gehöre wegen Verfassungsfeindlichkeit verboten. Er fordere die Muslime auf, den Koran zu zensieren und verfassungsfeindliche Passagen zu streichen. Der Islam sei nicht reformfähig und habe in Deutschland keine Existenzberechtigung. Muslime würden aufgefordert, wieder in ihre Heimatländer zurückzukehren. ... sei als Veranstalter und Leiter der Kundgebung aufgetreten, habe diese eröffnet und beendet und sei Hauptredner gewesen. Er habe die Kundgebung auch als Versammlung behördlich angemeldet. Die Veranstaltung werde auf der Homepage von ... als Kundgebung des Landesverbandes Bayern bezeichnet, deren Vorsitzender er zu dieser Zeit war. An der Zurechenbarkeit der von ... in diesem Zusammenhang getätigten Äußerungen bestehe daher kein Zweifel.

Tatsächliche Anhaltspunkte ergäben sich auch aus dem sog. „Thesenpapier“ von .... Dieses enthalte zunächst einen achtstufigen Maßnahmenkatalog zur Verhinderung der Islamisierung der Bundesrepublik, u. a. die Forderung eines Baustopps von Moscheen, der Schließung von Koranschulen und der Unterbindung von Gebetsversammlungen in vorhandenen Moscheen, eines Volksentscheides zum Verbot des Islam sowie in letzter Konsequenz die Forderung an die Muslime „Abschwören oder Abreisen“. Insgesamt beinhalte das Thesenpapier gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für eine extremistische Zielsetzung und könne als ideologisches Grundgerüst bewertet werden, das insbesondere ... tatsächlich vertrete. Es werde praktisch die Abschaffung der Religionsfreiheit für Muslime verfolgt, mit dem Ziel keine Muslime in Deutschland zu dulden. Die Weltreligion Islam werde als faschistoide Polit-Religion dargestellt, da davon auszugehen sei, dass Muslime den Koran als Wort Gottes wörtlich befolgen müssten und der Koran einer Auslegung nicht fähig sei. Es werde folglich nicht zwischen Islam und Islamismus differenziert und auf diesem zwangsweisen Religionsverständnis eine Agitation aufgebaut, die es bezwecke, eine Veränderung der Gesellschaft und entsprechende politische Entscheidungen herbeizuführen. Diese Umstände seien tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zu 2) aktiv darauf hinwirke, für alle Muslime die Religionsfreiheit, das Diskriminierungsverbot und die Menschenwürde außer Kraft zu setzen.

Zudem bestehe eine enge Verbindung von ..., der Partei „Die Freiheit“ und der Gruppe „...“ durch die herausragende Funktionärstätigkeit von ... bei allen drei Gruppierungen. Die von den Klägern behauptete Distanzierung von ... mit der Folge dass seine Äußerungen den Klägern nicht zurechenbar seien, sei nur vorgeschoben und nicht glaubwürdig.

Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 nahm der Bevollmächtigte der Kläger erneut zur Klage Stellung und trug ergänzend vor: Der Kläger zu 2) habe als Landesverband zwar keine eigene Satzung, die Möglichkeit seiner Einrichtung ergebe sich jedoch aus § 10 der Satzung des Bundesverbandes. Der Landesverband habe einen eigenen gewählten Vorstand. Aus dieser gewissen rechtlichen Selbstständigkeit folge die Rechts- und Prozessfähigkeit des Klägers zu 2) Die Betroffenheit des Klägers zu 1) durch die Beobachtung des Klägers zu 2) folge aus personellen, sachlichen und organisatorischen Verflechtungen und aus dem besonderen Gewicht des Bayerischen Landesverbandes im Bundesverband.

Einzelne rhetorische Vorstöße ... seien nicht repräsentativ, innerhalb der ... umstritten und daher nicht zurechenbar. Außerdem habe sich der Beklagte nicht ausreichend mit dem Wahrheitsgehalt der Aussagen auseinandergesetzt, insbesondere fehle es an einem schlüssigen Beleg dafür, dass es sich bei Islam und Islamismus um zwei verschiedene Dinge handle und nicht nur um eine ideologische Unterscheidung der herrschenden Klasse. Die antiislamische Rhetorik ... richte sich nur gegen islamische Exzesse, nicht gegen das friedliche religiöse Leben des einzelnen Muslims.

Der Beklagte verkenne Grund und Grenzen der Religionsfreiheit. Aus der Lehre von der praktischen Konkordanz folge, dass die Religionsausübung der Muslime im Einklang mit den Grundrechten Dritter und den Grundsätzen der Verfassung zu bringen sei. Ein Islam, der die Scharia fordere, könne nicht geduldet werden. Die Beobachtung sei darauf gerichtet, den Diskussionsbeitrag der Kläger zum Thema Islam zu behindern oder zu verhindern und verletze daher die Meinungsfreiheit der Kläger.

Auf gerichtliche Nachfrage, ob bzw. mit welchen Mitteln eine nachrichtendienstliche Beobachtung des Klägers zu 2) durchgeführt werde, teilte das Bayerische Staatsministerium des Innern mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2014 mit, eine Auskunft hierüber werde aus Gründen der Geheimhaltung nicht erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vom Beklagten vorgelegten Unterlagen und Beweismittel sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, war das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.

Im Übrigen bleibt die Klage ohne Erfolg.

1. Die Klage ist zulässig, soweit sie auf das Unterlassen der Beobachtung mit Mitteln der offenen Informationsbeschaffung gerichtet ist, im Übrigen ist sie unzulässig.

1.1. Die Beteiligungsfähigkeit des Klägers zu 1) folgt aus § 61 Nr. 1 VwGO, da der Bundesverband als eingetragener Verein eine juristische Person darstellt (§ 21 Bürgerliches Gesetzbuch). Der Kläger zu 2) ist als Landesverband für sich genommen kein eigener eingetragener Verein, mithin keine juristische Person, sondern eine organisatorische Untergliederung des Bundesverbandes. Seine Beteiligungsfähigkeit folgt aus § 61 Nr. 2 VwGO. Danach sind Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann, beteiligungsfähig. Hierunter sind Personenvereinigungen zu verstehen, denen ein Mindestmaß an Organisation, insbesondere die Repräsentanz Einzelner für die Mehrheit zukommt und denen nach materiellem Recht das im konkreten Rechtsstreit in Frage stehende Recht zustehen kann (Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 61 Rn. 8). Der auf Grundlage von § 10 der Satzung des Klägers zu 1) gegründete und mit einem eigenen Vorstand ausgestattete Landesverband erfüllt dieses Mindestmaß an Organisation. Nach materiellem Recht kann dem Landesverband als einer Personenvereinigung, die Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörde ist, ein Unterlassungsanspruch aus der Verletzung von Grundrechtspositionen zustehen (hier Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG - Recht der Personenvereinigung auf informationelle Selbstbestimmung).

1.2. Die Kläger sind klagebefugt. § 42 Abs. 2 VwGO ist auf die Unterlassungsklage als Unterfall der allgemeinen Leistungsklage analog anwendbar (Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 42 Rn. 69, 80). Die Kläger können sich darauf berufen, durch die Beobachtung durch das BayLfV in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein. Ausreichend für die Darlegung einer Rechtsverletzung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass eine solche möglich ist, oder - negativ ausgedrückt - die Darlegung ergeben muss, dass die vom Kläger behaupteten Rechte jedenfalls nicht offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen können oder diesem nicht zustehen können (vgl. BVerwG U.v. 23. 3. 1982 - BVerwG 1 C 157.79- juris Rn. 23).

1.2.1. Unstreitig kann sich der Kläger zu 2) (Landesverband) als erklärtes „Beobachtungsobjekt“ des BayLfV auf eine mögliche Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 Grundgesetz i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG) berufen und daraus resultierend einen möglichen Abwehranspruch gegen den Beklagten geltend machen. Auch die Beschaffung von Informationen aus offenen, jedermann zugänglichen Quellen stellt einen Grundrechtseingriff dar, wenn - wie hier - die aus öffentlichen Quellen stammenden Daten durch ihre systematische Erhebung, Sammlung und Erfassung einen zusätzlichen Aussagewert erhalten (BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22/09 - juris Rn. 17 m. w. N.).

1.2.2. Daneben ist auch der Kläger zu 1) klagebefugt. Zwar sieht das BayLfV seine Aufgabe rein formal betrachtet nur in der Beobachtung des Landesverbandes. Dieser stellt jedoch nach der Satzung des Bundesverbandes eine organisatorische Untergliederung des Bundesverbandes dar. Der Landesverband ist weder rechtlich noch inhaltlich-programmatisch verselbstständigt, so dass sich für den Bundesverband die Beobachtung eines seiner Landesverbände faktisch auch als eigene Beobachtung (bezogen auf eine seiner rechtlich unselbstständigen Untergliederungen) darstellt. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass das Verfassungsschutzrecht bei der Betrachtung von Vereinigungen mit räumlich untergliederter Organisationsstruktur von einer gegenseitigen Zurechenbarkeit verfassungsfeindlicher Verdachtsmomente ausgeht. Es ist daher durchaus möglich, dass tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen im Landesverband einer Vereinigung auch dem Bundesverband zugerechnet werden und damit unmittelbar auf den Bundesverband durchschlagen (vgl. zur gegenseitigen Zurechenbarkeit von Verdachtsmomenten bei Bundes- und Landesverbänden: Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 1. Aufl. S. 179; BayVGH, B.v.7.10.1993 - 5 CE 93.2327 - juris Rn. 21). Dem Bundesverband kann daher nicht verwehrt werden, sich bereits gegen die Beobachtung eines seiner Landesverbände gerichtlich zur Wehr zu setzen. Der Kläger zu 1) macht einen eigenen Unterlassungsanspruch im eigenen Namen geltend, der gerichtet ist auf die Unterlassung der Beobachtung eines zu ihm gehörenden rechtlich unselbstständigen Teilverbandes. Es handelt sich mithin nicht um den Fall einer Prozessstandschaft, da nicht die Geltendmachung eines fremden Anspruchs inmitten steht, sondern die eines eigenen Anspruchs. Dieser Betrachtungsweise steht auch nicht entgegen, dass daneben auch der Teilverband selbst klagebefugt ist.

1.3. Im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung der Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln fehlt den Klägern das Rechtsschutzbedürfnis, da sie schon nicht darlegen konnten, dass eine Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln überhaupt stattfindet.

Für eine Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln fehlt es an Anhaltspunkten. Zwar liegt es im Wesen der verdeckten Ermittlungen begründet, dass der Betroffene in der Regel keine Kenntnis davon hat. Gleichwohl ist es denkbar, dass gewisse Anhaltspunkte für den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel sprechen, z. B. dass die Verfassungsschutzbehörde Kenntnisse über Aktivitäten, Äußerungen oder Beziehungen des Betroffenen zu anderen Personen offenbart, die sie im Wege offener Erkenntnisgewinnung nicht hätte erlangen können. Das ist hier aber nicht der Fall. Der Beklagte stützt seine Beobachtung durch das BayLfV ausschließlich auf tatsächliche Anhaltspunkte, die sich aus öffentlich zugänglichen Quellen, vornehmlich dem Internet ergeben. Ein Rückschluss auf Verwendung nachrichtendienstlicher Mittel allein daraus, dass der Beklagte aus Gründen der Geheimhaltung die Auskunft darüber verweigert, ob solche Mittel zum Einsatz kommen, verbietet sich.

Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt auch nicht deshalb vor, weil die Möglichkeit der Aufklärung, ob die Kläger auch unter Einsatz mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden, allein in den Händen des Beklagten liegen würde. Vielmehr wäre es den Klägern oblegen, die Durchführung eines sog. „in-camera-Verfahrens“ (§ 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO) zu beantragen. Das Gericht hat zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO), die Verfassungsschutzbehörde unter Hinweis auf die behördliche Auskunftspflicht gem. § 99 Abs. 1 Satz1 VwGO zur Auskunft darüber aufgefordert, ob und - wenn ja - welche nachrichtendienstlichen Mittel bei der Beobachtung der Kläger eingesetzt werden. Das BayLfV und das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr als oberste Aufsichtsbehörde haben daraufhin unter Hinweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit mit Schreiben vom 9. Oktober 2014 die entsprechende Auskunft verweigert („Eine Auskunft hierüber wird weiterhin nicht erteilt.“) und damit eine (inhaltlich als solche zu wertende) Sperrerklärung abgegeben, um der aus ihrer Sicht bestehenden Gefahr einer „Ausforschung“ durch die Kläger zu begegnen. Das Gericht ist an die Weigerung der obersten Aufsichtsbehörde gebunden (Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 99 Rn. 16). Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Auskunftsverweigerung kann das erkennende Gericht nicht selbst vornehmen. Hierzu bedarf es der Durchführung eines Zwischenverfahrens (sog. „in-camera“-Verfahren) durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Dieses kann nicht von Amts wegen eingeleitet werden, sondern ist von den Verfahrensbeteiligten zu beantragen (§ 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO). In der mündlichen Verhandlung wurde die prozessuale Situation erörtert, ein entsprechender Antrag wurde nicht gestellt. Zur Begründung des Rechtsschutzbedürfnisses wäre eine solche Antragstellung für die Kläger allerdings notwendig gewesen.

2. Soweit die Klage zulässig ist, bleibt sie in der Sache ohne Erfolg. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Unterlassung der Beobachtung des Klägers zu 2) mit Mitteln der offenen Informationsbeschaffung. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist die Beobachtung des Klägers zu 2) aus offenen Quellen rechtmäßig.

2.1. Rechtsgrundlage für die Beobachtung ist Art. 4 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 5 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 Bayerische Verfassungsschutzgesetz - BayVSG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1997 (GVBl. 1997,70), zuletzt geändert am 24. Juni 2013.

Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVSG hat das BayLfV die Aufgabe, Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, zu beobachten. Solche Bestrebungen können von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausgehen. Das BayLfV hat in Erfüllung dieser Aufgabe Informationen, insbesondere sach- und personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über solche Bestrebungen oder Tätigkeiten zu sammeln und auszuwerten. Im Rahmen dieses Beobachtungsauftrags ist das BayLfV nach den Vorgaben der Art. 4 und 5 BayVSG zur Datenverarbeitung befugt. Gem. Art. 4 Abs. 3 BayVSG ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.

2.1.1. Die genannten Bestimmungen sind mit höherrangigem Recht vereinbar, insbesondere ist den Anforderungen des Bestimmtheits- und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Genüge getan (BayVerfGH, E.v. 11.11.1997 - Vf. 22-VII-94 - VerfGHE BY 50, 226). Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung (stillschweigend) von einer Rechtmäßigkeit der verfassungsschutzrechtlichen Rechtsgrundlagen aus (vgl. z. B. BayVGH B.v. 23.9.2010 - 10 CE 10.1830 - NVwZ-RR 2011, 62; BayVGH B.v. 24.9.1999 - 24 ZB 99.2362 - juris). Ebenso hat das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die entsprechende Aufgabennorm des Bundesverfassungsschutzgesetzes (§ 3 Abs. 1 BVerfSchG) die hinreichende Bestimmtheit des verfassungsschutzrechtlichen Beobachtungsauftrags festgestellt (BVerwG, U.v. 20.2.1990 - 1 C 42.83 - juris Rn. 22).

2.1.2. Die freiheitliche demokratische Grundordnung ist in Art. 1 Abs. 2 BayVSG definiert als eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung gehören mindestens: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.

2.1.3. Der Begriff der „Bestrebungen“ ist im BayVSG nicht näher bestimmt. Insoweit kann auf die Definition des § 4 Abs. 1 BVerfSchG zurückgegriffen werden, der eine einheitliche Mindestvorgabe für die Zusammenarbeit von Bundes- und Länderverfassungsschutz im Hinblick auf die Beschreibung der verfassungsschutzrechtlichen Aufgaben enthält (vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, S. 51). Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind demnach solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der oben genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen (§ 4 Abs. 1 Buchst. c BVerfSchG).

Ein ziel- und zweckgerichtetes Verhalten erfordert ein finales Handlungselement, d. h. ein aktives, nicht jedoch notwendig kämpferisch-aggressives Vorgehen zur Durchsetzung verfassungsfeindlicher Ziele. Die bloße Übereinstimmung oder Sympathie mit den Zielen einer verfassungsfeindlichen Organisation reicht ebenso wie die wissenschaftliche Beschäftigung mit einer extremistischen Theorie nicht aus. Die Grenze zwischen wissenschaftlicher Theorie und politischem Ziel liegt dort, wo die betrachtend gewonnenen Erkenntnisse von einer politischen Partei, also einer ihrem Wesen nach zu aktivem Handeln im staatlichen Leben entschlossenen Gruppe, in ihren Willen aufgenommen, zu Bestimmungsgründen ihres politischen Handelns gemacht werden (BVerfG, Urteil vom 17. August 1956 - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 5, 85, 147; BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22/09 - juris Rn. 59f; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, S. 165 ff.)

Bestrebungen gehen über bloße politische Meinungen hinaus. Kritik an der Verfassung und ihren wesentlichen Elementen ist ebenso erlaubt wie die Äußerung der Forderung, tragende Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu ändern. Es ist allerdings verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die Verfassungsschutzbehörde insoweit an die Inhalte von Meinungsäußerungen anknüpft, als diese Ausdruck eines Bestrebens sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Es ist dem Staat grundsätzlich nicht verwehrt, aus Meinungsäußerungen Schlüsse zu ziehen und gegebenenfalls Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz zu ergreifen. Lassen sich Bestrebungen zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aus Meinungsäußerungen ableiten, dürfen Maßnahmen zur Verteidigung dieser Grundordnung ergriffen werden. (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63, 82; BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22/09 - juris Rn. 61).

2.1.4. Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen im Rahmen des Beobachtungsauftrags ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist eine Beobachtung nicht ohne Anlass zulässig. Vielmehr bedarf es einer Gefahrenlage in Form eines tatsachengestützten Verdachts verfassungsfeindlicher Bestrebungen, um die gezielte Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörde zu rechtfertigen (vgl. auch § 4 Abs. 1 Satz 3 BVerfSchG).

Das Tatbestandsmerkmal „tatsächliche Anhaltspunkte“ verlangt mehr als bloße Vermutungen, Mutmaßungen, Annahmen oder Hypothesen. Andererseits bedarf es auch nicht der Gewissheit, dass Schutzgüter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigt oder außer Kraft gesetzt werden sollen. Es müssen vielmehr konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung die Annahme eines Verdachts rechtfertigt (vgl. BVerfG, U.v. 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 - BVerfGE 100, 313, 395). Zur Annahme eines solchen Verdachts kann auch die Gesamtschau aller vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte führen, wenn jeder für sich genommen einen solchen Verdacht noch nicht zu begründen vermag (BVerwG, U.v. 17.10.1990 - 1 C 12.88 - BVerwGE 87, 23, 28; BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22/09 - juris Rn. 30). Tatsächliche Anhaltspunkte können sich z. B. ergeben aus offiziellen Programmen, Satzungen oder sonstigen Veröffentlichungen, aus Verlautbarungen bzw. Aktivitäten von Funktionären oder Anhängern sowie aus Verbindungen zu bereits als extremistisch erkannten Gruppen oder Einzelpersonen.

Die Anhaltspunkte müssen hinreichend gewichtig sein, um die staatliche Reaktion zu rechtfertigen. Die Abstufung der Reaktion auf mögliche verfassungsfeindliche Bestrebungen von der bloßen Beobachtung über die Warnung der Öffentlichkeit durch entsprechende Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht bis hin zum Verbot einer Organisation, schließt es aus, jeweils das gleiche Gewicht für tatsächliche Anhaltspunkte für solche Bestrebungen zu verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22/09 - juris Rn. 31). Damit die Verfassungsschutzbehörde ihre Aufgabe als Frühwarnbehörde zweckmäßig ausfüllen kann, dürfen die Anforderungen an die Verdachtslage für eine bloße Beobachtung als erste staatliche Reaktion nicht zu hoch geschraubt werden (vgl. auch Droste, Handbuch des Verfassungsschutzes, S. 177).

2.2. Gemessen an diesen Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen des Klägers zu 2) vor, die auf eine Abschaffung der Religionsfreiheit für Muslime (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) gerichtet sind.

2.2.1. Die Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) ist ein wesentliches Element der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Sie ist unmittelbarer Ausfluss des in Art. 1 Abs. 1 GG für unantastbar erklärten Prinzips der Menschenwürde und damit zugleich eines der von Art. 1 Abs. 2 GG angesprochenen „unveräußerlichen und unverletzlichen Menschenrechte“ (so bereits BVerfGE 12, 45 (53 f.), vor allem aber auch BVerfGE 32, 98 (106) und BVerfGE 33, 23 (28 f.); Herzog in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 71. Ergänzungslieferung 2014, Art. 4 Rn. 11 f.) und gehört damit ebenso wie Art. 3 GG zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung nach Art. 1 Abs. 2 BayVSG.

Träger des Grundrechts sind zum einen Vereinigungen, deren Zweck die Pflege oder Förderung eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses oder die Verkündung des Glaubens ihrer Mitglieder ist (BVerfGE 19, 129/132; 24, 236/246f; Jarass Art. 4 Rn. 18; sog. kollektive Glaubensfreiheit), zum anderen natürliche Personen, wie z. B. Musliminnen und Muslime (individuelle Glaubensfreiheit).

Art. 4 GG garantiert in Absatz 1 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, in Absatz 2 das Recht der ungestörten Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht (vgl. BVerfG, U.v.24.9.2003 - 2 BvR 1436/02 - juris Rn. 37; BVerfGE 24, 236 (245 f.); 32, 98 (106); 44, 37 (49); 83, 341 (354)). Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten (vgl. BVerfGE 24, 236 (245)). Dazu gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Dies betrifft nicht nur imperative Glaubenssätze, sondern auch solche religiösen Überzeugungen, die ein Verhalten als das zur Bewältigung einer Lebenslage richtige bestimmen (vgl. BVerfGE 32, 98 (106 f.); 33, 23 (28); 41, 29 (49)). Unter den Schutz der Religionsfreiheit fällt demnach z. B. auch der Bau von Kirchen, Synagogen oder Moscheen (Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., Art. 4 Rn. 15), die religiöse Erziehung der Kinder (BVerfGE 41, 29 (48f.): 52, 223 (236); 93, 1 (17)) sowie das Tragen besonderer Kleidung bzw. Haartracht (BVerfGE 108, 282 (297)).

Das Grundgesetz begründet für den Staat im Zusammenspiel von Art. 4 Abs. 1 mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 3 GG sowie durch Art. 136 Abs. 1 und 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG die Pflicht zu weltanschaulich- religiöser Neutralität (BVerfG, U.v.24.9.2003 - 2 BvR 1436/02 - juris Rn. 42f.). Es untersagt die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung Andersgläubiger (vgl. BVerfGE 19, 206 (216); 24, 236 (246); 33, 23 (28); 93, 1 (17)). Der Staat hat auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten (vgl. BVerfGE 19, 1 (8); 19, 206 (216); 24, 236 (246); 93, 1 (17)).

Grundsätzlich ist die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbürgte Glaubensfreiheit vorbehaltlos gewährleistet. Einschränkungen müssen sich daher aus der Verfassung selbst ergeben. Hierzu zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang (vgl. BVerfGE 28, 243 (260 f.); 41, 29 (50 f.); 41, 88 (107); 44, 37 (49 f., 53); 52, 223 (247); 93, 1 (21)). Zur Beschränkung der Glaubensfreiheit bedarf es mithin immer anderer Verfassungsgrundsätze, die mit der Glaubensfreiheit abzuwägen sind.

Eingriffe in die Religionsfreiheit muslimischer Glaubensangehöriger sind daher z. B. zulässig, wenn diese Bestrebungen verfolgen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. So können sich etwa religiöse Vereinigungen, die auf die Umsetzung von im Widerspruch zur Verfassungsordnung des Grundgesetzes stehende Lehren hinwirken und dabei eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung einnehmen, indem sie etwa den gewaltsamen Dschihad oder die Einführung der Scharia in Deutschland propagieren, gegenüber einem staatlichen Verbot der Vereinigung auf das Grundrecht der Glaubensfreiheit nicht berufen (vgl. BVerwG, U.v. 14.5.2014 - 6 A 3/13- juris; BVerfGE 25, 230 (233 f); vgl. Körting, DVBl. 2014, S. 1028).

2.2.2. Die programmatische Ausrichtung des Klägers zu 2), die sich der Kurzinformation ... „Für europäische Werte und Freiheiten - Gegen eine Islamisierung Europas“ (Beweismittel 1) und dem Grundsatzprogramm der ... (Bl. 136 ff. Gerichtsakte) entnehmen lässt, zeigt eine - für sich genommen nicht zu beanstandende - islamkritische Grundhaltung.

Die ... unterscheidet nicht zwischen verschiedenen Strömungen innerhalb des Islam (religiöser und politischer Islam) und lehnt eine Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus ab. Im Einzelnen wird zum Wesen des Islam im Grundsatzprogramm ausgeführt:

„(…) Der Islam steht den zivilisatorischen Errungenschaften der aufgeklärten Moderne entgegengesetzt und feindlich gegenüber und ist bestrebt, im Namen seines weltweiten Machtanspruchs das totalitäre Gesellschaftssystem des Islam unter Vorherrschaft der Scharia in den freien Gesellschaften Europas zu installieren. Die gegenwärtig politisch zugelassene und geförderte Islamisierung Europas stellt langfristig eine existentielle Bedrohung für das demokratische Staatswesen, für die Menschenrechte und für die kulturelle Identität und Vielfalt Europas dar. (…)“ (Ziff. 3 Grundsatzprogramm)

„(…) Nachdem Europa im zurückliegenden Jahrhundert von Kommunismus, Faschismus und Nationalsozialismus heimgesucht wurde, droht nun der nächste Totalitarismus seine Entwicklung zu nehmen, der diesmal im Gewande einer Religion daherkommt und sich durch die Hintertür der Religionsfreiheit Zugang zu den freien Gesellschaften Europas verschafft. Durch die gegenwärtige realitätswidrige Betrachtung und Behandlung des Islam als bloßer Religion werden diesem unter Missbrauch der Religionsfreiheit die Möglichkeiten gegeben, seinem systemimmanenten politischen Machtanspruch in Europa nachzukommen. (…)“ (Ziff. 6 Grundsatzprogramm)

„(…) Die ... lehnt die in der Sache falsche und trügerische Unterscheidung zwischen dem Islam und sogenanntem „Islamismus“ ab, da sie bei unzureichend über den Islam informierten Bürgern zu der falschen Annahme führt, der Islam sei eine bloße, unpolitische, friedliche Religion, welcher der politische, gewalttätige „Islamismus“ gegenüberstünde. (…)“ ( Ziff. 9 Grundsatzprogramm)

„(…)Der Islam steht den Werten, Normen und Idealen einer freien Gesellschaft gegensätzlich und feindlich gegenüber. Als Herrschafts- und Gehorsamsideologie, die den Menschen seiner individuellen Autonomie und Freiheiten beraubt und ihn zu einem zu funktionierenden Bestandteil des Kollektivs herabwürdigt, steht er im Widerspruch zu einer freien Gesellschaft, die dem Individuum in einem freiheitlichen Gemeinwesen ein Leben in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung ermöglicht. Der Islam ist mit den universellen Menschenrechten nicht in Einklang zu bringen. Er negiert den Gedanken der Völkerverständigung und schließt ein gleichberechtigtes Miteinander verschiedener Kulturen und Religionen aus. (...)“ (Ziff. 10 Grundsatzprogramm)

[Fettdruck jeweils nicht im Original]

Ausgehend von der Gleichsetzung von Islam und Islamismus wird im Grundsatzprogramm die folgende Schlussfolgerung gezogen, der Islam sei keine Religion im Sinne des Grundgesetzes:

„(…) Der Islam ist mit dem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat und den universellen Menschenrechten nicht in Einklang zu bringen. Er steht dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und dem diesen zugrunde liegenden Wertekanon ablehnend und feindlich gegenüber und zielt auf die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ab.

(…) Als politische Religion erhebt der Islam den Anspruch, seine Staats- und Rechtsordnung, das göttliche Gesetz der Scharia, im Diesseits als für alle Menschen verbindlich zu installieren. Als nicht nachhaltig säkularisierter und nicht republikfähiger Religion, die der Politik die Maximen vorgibt, stellt der Islam keine Religion im Sinne des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland dar und kann nicht den Schutz durch das Grundgesetz beanspruchen. In Bezug auf die drei Religionsgrundrechte, die das Grundgesetz kennt, bedeutet dies, dass über die garantierte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit hinaus die Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung ausschließlich nachhaltig säkularisierten, republikfähigen Religionen vorbehalten bleibt. Der Islam kann sich nicht auf den Religionsausübungsschutz des Grundgesetzes berufen, da mit dem Praktizieren der islamischen Religionsausübung immer zugleich der politische Machtanspruch des Islam propagiert wird.“ (Ziff. 11 Grundsatzprogramm)

[Fettdruck jeweils nicht im Original]

Mit der Gleichsetzung von Islam und Islamismus und der Folgerung, der Islam stelle keine Religion im Sinne des Grundgesetzes dar, setzt sich die ... in Widerspruch zur oben ausgeführten herrschenden Auffassung von Inhalt und Grenzen der Religionsfreiheit und zu ihrem eigenen ausdrücklichen Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und zur Religionsfreiheit. Es kann im Grundsatzprogramm die Forderung gesehen werden, dem Islam insgesamt den Status einer Religion abzuerkennen und damit allen Muslimen das Grundrecht auf Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) abzusprechen. Eine solche Forderung würde darauf abzielen, einen Bestandteil der freiheitlich demokratischen Grundordnung außer Kraft zu setzten.

Das Gericht verkennt indessen nicht, dass auch in Deutschland islamistische Strömungen existieren, die gegen den demokratischen Rechtsstaat gerichtet sind. Solchen verfassungsfeindlichen islamistischen Bestrebungen entgegenzutreten, ist im Sinne einer wehrhaften Demokratie geboten und zulässig. So befassen sich auch die Verfassungsschutzbehörden laufend mit dem Thema „Islamismus“, wie sich den Verfassungsschutzberichten entnehmen lässt (vgl. Verfassungsschutzbericht 2013 des Beklagten, Pressefassung S. 26 ff.). Das Beobachtungsfeld der Verfassungsschutzbehörde reicht vom islamistischen Terrorismus über politischen Salafismus bis hin zu legalistischen Organisationen, die eine weitgehend gewaltfreie Herangehensweise zur Erreichung ihrer (verfassungsfeindlichen) Ziele verfolgen.

2.2.3. Die islamkritische Haltung der Kläger alleine macht allerdings noch keine verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebung aus. Eine Bestrebung erfordert darüber hinaus ein politisch bestimmtes, ziel- und zweckgerichtetes Verhalten im Sinne eines finalen Handlungselements.

Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein solches finales Handlungselement finden sich zwar nicht im Grundsatzprogramm selbst, jedoch in hinreichender Deutlichkeit in Äußerungen und Aktivitäten von ..., der als Pressesprecher und Vorsitzender im maßgeblichen Zeitraum für den Kläger zu 2) tätig war und dessen ideologische Ausrichtung maßgeblich geprägt hat.

2.2.3.1. Tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen zur Außerkraftsetzung der Religionsfreiheit für Muslime lassen sich insbesondere dem von ... im Internet auf „... - http://www.... -“ veröffentlichten „Thesenpapier gegen die Islamisierung“ vom ... Oktober 2011 mit Erläuterungen vom ... Oktober 2011 und Aktualisierungen vom ... November 2011 (Beweismittel 10-13) entnehmen.

a) Die Inhalte des Thesenpapiers muss sich der Kläger zu 2) zurechnen lassen.

... ist seit 3. Oktober 2009 Mitglied des Klägers zu 2). Von Januar 2010 bis November 2011 bekleidete er das Amt des Pressesprechers und anschließend das des Vorsitzenden des Klägers zu 2) (November 2011 bis Jahreswechsel 2013/2014). Das Thesenpapier ist also zu einer Zeit entstanden, als der Verfasser als Funktionär für den Kläger zu 2) tätig war.

Der Einwand der Kläger, die Äußerungen im Thesenpapier seien dem Kläger zu 2) deswegen nicht zurechenbar, weil ... sich insoweit als Vertreter der Partei „Die Freiheit“ bzw. als freier Journalist geäußert habe, nicht aber als Vertreter der ..., ist unbehelflich. Eine Vereinigung muss sich das Verhalten und die Äußerungen ihrer Mitglieder und Funktionäre zurechnen lassen (vgl. BayVGH B.v. 7.10.1993 - 5 CE 93.2327 - Juris Rn. 23 f.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob Äußerungen ausdrücklich im Namen oder für eine Vereinigung erfolgt sind, um in die Gesamtbetrachtung einfließen zu können, ob eine Vereinigung tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen bietet. Äußerungen sind bereits dann zurechenbar, wenn sie von leitenden Mitgliedern der Vereinigung stammen oder von ihnen erkennbar befürwortet werden, auch wenn sie als solche nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen der Vereinigung handeln (vgl. BVerwG, U.v.14.5.2014 - 6 A 3.13 - Juris Rn.35). Da die herangezogenen Äußerungen allesamt in die Zeit der Funktionärstätigkeit ... für den Kläger zu 2) fallen und thematisch mit dem ideologischen Grundsätzen der ... in engem Zusammenhang stehen, besteht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts kein Zweifel an der Zurechenbarkeit.

Der Zurechenbarkeit steht auch nicht entgegen, dass sich die Kläger - wie sie in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragen haben - inzwischen wegen inhaltlicher Differenzen von ... als Landesvorsitzendem getrennt haben wollen. Das Gericht hat bereits erhebliche Zweifel daran, ob eine solche Distanzierung tatsächlich stattgefunden hat. In der Klageschrift war der Rückzug ... nicht mit inhaltlichen Differenzen begründet worden. Es drängt sich daher der Eindruck auf, dass die angebliche Distanzierung in der mündlichen Verhandlung allein aus taktischen Erwägungen erfolgt sein könnte. Darüber hinaus wäre die Verfassungsschutzbehörde befugt, gerade auch im Falle eines Richtungsstreits dessen weitere Entwicklung innerhalb der Vereinigung zu beobachten (vgl. BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22/09 - juris Rn. 45; BayVGH B.v. 17.6.1996 - 24 CE 96.162 - juris Rn. 32).

b) Das Thesenpapier stellt die ideologische Basis der politischen Arbeit ... dar. Ausgangspunkt der Argumentation ist das Verständnis des Islam als totalitärer Ideologie, die Gleichsetzung von Islam und Islamismus und ausgehend von diesem Religionsverständnis die Schlussfolgerung, dass der Islam mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sei und es gelte, eine „Islamisierung“ Deutschlands zu verhindern. Es finden sich inhaltlich deutliche Übereinstimmungen zu dem später entstandenen Grundsatzprogramm der ..., wobei das Thesenpapier in Wortwahl und Ausdrucksweise insgesamt schärfer und in den Konsequenzen konkreter gefasst ist. Die konkreten Forderungen enthalten gewichtige Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen.

Das „Thesenpapier gegen Islamisierung“ in seiner ersten Fassung vom 19. Oktober 2011 (Beweismittel 10) besteht aus einem achtstufigen Maßnahmenkatalog zur Verhinderung einer „Islamisierung“, der sich folgendermaßen darstellt:

„1. Medien und Politik müssen unverzüglich eine offene tabulose Diskussion über das wahre Wesen des Islams zulassen. Hierbei sind das Leben des Propheten Mohammed (der,vollkommene Mensch‘ im Islam und das ‚perfekte Vorbild‘ für alle Moslems), seine dokumentierten Handlungen in der Sunna und seine zeitlos gültigen Befehle im Koran in allen Details darzustellen.

2. Nach abgeschlossener Faktenanalyse, auch unter Einbeziehung des Urteils von Staatsrechtler Prof. Karl Albrecht Schachtschneider (Der Islam ist verfassungswidrig) wird das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit lauten: Der Islam ist eine Machtideologie im Deckmantel einer Religion, die die Welt in höhergestellte Rechtgläubige und minderwertige Ungläubige aufteilt. Mit totalitärem weltlichen Herrschaftsanspruch, Intoleranz, Gewaltbereitschaft und Tötungslegitimation.

3. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland muss in der Konsequenz dieser Erkenntnis alle islamischen Verbände unmissverständlich und unverzüglich dazu auffordern, sich sofort und für alle Zeiten gültig vom weltlichen Machtanspruch, von der Intoleranz, von der Gewalt und der Tötungsbereitschaft zu verabschieden. Außerdem unbefristet auf die Scharia, das islamische Rechtssystem, zu verzichten. Und verbindlich zu erklären, dass alle Menschen, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, die gleichen Rechte haben. Ebenso vorbehaltlos zu akzeptieren, dass Frauen und Männer vor dem Gesetz und im Alltag gleichgestellt sind.

4. Wenn diese Forderungen nicht von allen islamischen Verbänden verbindlich unterzeichnet werden, erfolgt ein sofortiger Baustopp von Moscheen, die Schließung von Koranschulen und die Unterbindung von Gebetsversammlungen in vorhandenen Moscheen.

5. Alle Muslime in Deutschland werden, nachdem sie über die Inhalte ihrer Religion umfassend aufgeklärt wurden, dazu aufgefordert, Druck auf ihre Verbände zu machen, dass die aufgelisteten Forderungen unverzüglich unterschrieben werden.

6. Falls dies nicht nach einer festgesetzten Frist zum gewünschten Ergebnis führt, ist ein Volksentscheid zum Verbot des Islams wegen seinen volksverhetzenden und das friedliche Zusammenleben aller Menschen gefährdenden Botschaften einzuleiten. Die Bundesbürger werden aufgefordert, den Koran - das wohl gefährlichste Buch der Welt — zu lesen und sich selbst ein Bild zu machen. Damit wird die Wiederholung des größten Fehlers der deutschen Geschichte vermieden: Das ebenfalls brandgefährliche Buch ‚Mein Kampf' nicht aufmerksam studiert und damit die größte Katastrophe in der europäischen Geschichte nicht vermieden zu haben.

7. Wenn der Volksentscheid zu dem Ergebnis führt, dass der Islam verboten werden soll, haben alle Muslime die freie Entscheidung, dieser Ideologie abzuschwören. Es stehen andere Religionen zur Auswahl, die ebenfalls ein Leben nach dem Tode verheißen, ohne dafür im Konfliktfall das Töten von „Ungläubigen“ zu verlangen.

8. Abschwören oder Abreisen- heißt die Konsequenz. Für den zweiten Fall stehen genügend islamische Länder zur Auswahl. Im Gegenzug werden in Form eines Bevölkerungsaustausches Christen aus diesen Ländern in Deutschland aufgenommen, die dort schlimmer Diskriminierung, Verfolgung und auch dem Tod ausgesetzt sind.“

[Fettdruck jeweils nicht im Original]

Die unter Ziffer 3 formulierte Forderung nach einer Modernisierung des Islam wird in der zweiten Fassung des Thesenpapiers vom 26. Oktober 2011 (Beweismittel 11), zu der der Verfasser sich aufgrund des Vorwurfs, verfassungsfeindliche Positionen zu vertreten, veranlasst sah, noch detaillierter formuliert:

„(…)3. Forderung nach Modernisierung des Islam

In dieser Phase werden die islamischen Verbände erkennen müssen, dass der Islam in Deutschland am Scheideweg steht: Entweder er trennt sich von allen verfassungsfeindlichen, gewalttätigen, tötungsbereiten, intoleranten, frauenunterdrückenden und totalitären Aspekten, oder er wird hierzulande nicht weniger als seine Existenz aufs Spiel setzen. (…) Alle organisierten Moslems in Deutschland haben es nun selbst in der Hand: Indem sie sich von allem in ihrer Religion angelegten Verfassungswidrigem und Gewalttätigem trennen, gewährleisten sie den Fortbestand ihrer eigenen Religion auf deutschem Boden. Sobald der Koran von allen gefährlichen Passagen befreit ist (und da gibt es sehr, sehr viel zu streichen), sobald der kriegerische und mordende Prophet nicht mehr als „perfekter Mensch“ und „vollkommenes Vorbild“ für alle Moslems angesehen wird, sobald seine Handlungen nicht mehr als Richtschnur für alle Moslems angesehen werden, sobald auf die Scharia als Rechtssystem für alle Zeiten verzichtet wird, kann der Islam als ungefährliche Religion betrachtet werden. Ab dem Zeitpunkt kann die Religionsausübung dann ungehindert erfolgen und neue Moscheen werden mit Sicherheit ohne Bürgerproteste gebaut werden können. Moslems werden ab diesem Zeitpunkt keine Probleme mehr haben, sich in die Gesellschaft zu integrieren und Mischehen einzugehen.

(…)“

[Fettdruck jeweils nicht im Original]

Gefordert wird die Streichung von Passagen des Koran (These 3 Fassung vom 26.10.2011) auf Veranlassung der Bundesrepublik Deutschland (These 3 Fassung vom 19.10.2011). Dies läuft auf eine staatlicherseits angeregte Zensur des Korans hinaus. Erst wenn die Streichungen erfolgt seien, könne eine ungehinderte Ausübung der Religion erfolgen. Umgekehrt bedeutet dies, dass ohne die staatlich angeregte Zensur die Religion nicht ungehindert ausgeübt werden darf. Eine solche Forderung wäre mit der staatlichen Pflicht zu religiöser Neutralität offenkundig nicht zu vereinbaren. Ihre Durchsetzung würde einen Eingriff in den Wesenskern der Religionsfreiheit bedeuten.

Die Unverletzlichkeit des religiösen Bekenntnisses verlangt vom Staat strikte religiöse und weltanschauliche Neutralität (Herzog in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand Juli 2014, Art. 4 Rn. 71). Die Frage der Deutung und Auslegung religiöser Offenbarungsschriften ist einer staatlichen Einwirkung von vorneherein entzogen. Es obliegt allein den Gläubigen selbst und ihren Glaubensgemeinschaften, die Inhalte ihrer Heiligen Schrift auszulegen. Ein solcher Eingriff in den Wesenskern einer Schriftreligion lässt sich auch nicht mit dem Argument verfassungsmäßig rechtfertigen, die Inhalte des Korans seien - wörtlich verstanden - verfassungsfeindlich. Staatliche Sanktionen sind im Rahmen gesetzlicher Vorschriften und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (erst) dann gerechtfertigt, wenn sich eventuelle verfassungsfeindliche Inhalte in Form von verfassungsfeindlichen Bestrebungen oder Straftaten nach außen manifestieren. Eine staatliche Einmischung in Glaubensinhalte als solche ist mit dem Gebot staatlicher Neutralität gegenüber religiösen Überzeugungen jedoch nicht vereinbar.

In der am 26.10.2011 veröffentlichten „Erläuterung des Thesenpapiers gegen die Islamisierung“ (Beweismittel 11) heißt es weiter:

„5. Einbeziehung aller in Deutschland lebenden Moslems

Zu diesem Zeitpunkt werden alle Moslems in Schulungen und Intensivkursen über die Inhalte ihrer eigenen Religion aufgeklärt. Niemand bleibt mehr unwissend. Alle Moslems werden nun aufgefordert, bei ihren Verbänden den notwendigen Modernisierungsdruck auszulösen. Es muss klar sein: Wenn jetzt kein Erneuerungsprozess geschieht, dann ist der Islam in Deutschland zum Scheitern verurteilt. Werden die Forderungen abgelehnt, erfolgt ein sofortiger Baustopp von Moscheen, die Schließung von Koranschulen und die Unterbindung von Gebetsversammlungen in vorhandenen Moscheen. (…)“

[Fettdruck nicht im Original]

Auch die geforderten „Schulungen und Intensivkurse“ über die Inhalte des Islam von staatlicher Seite sind unvereinbar mit dem Gebot staatlicher Neutralität in Glaubensfragen.

Die Forderung eines sofortigen Baustopps für Moscheen, die Schließung von Koranschulen und die Unterbindung von Gebetsversammlungen für den Fall, dass die zuvor aufgezählten Forderungen nicht erfüllt werden, zielt darauf ab, die kollektive Ausübung der Religion (Art. 4 Abs. 2 GG) in der Gemeinschaft mit anderen Gläubigen unmöglich zu machen. Auch darin liegt ein tatsächlicher Anhaltspunkt für den Verdacht einer Bestrebung, die gegen die Religionsfreiheit der Muslime gerichtet ist.

Schließlich folgt in Ziffer 7 und 8 des Thesenpapiers in der Fassung vom 16.10.2011 die Forderung eines Islamverbots bzw. der Aufforderung an Muslime, ihre Religion aufzugeben oder Deutschland zu verlassen. Auch hier geht die zweite Fassung des Thesenpapiers (vom 26.10.2011 - Beweismittel 11) an Deutlichkeit über die erste Fassung hinaus:

„7. Beschluss des Volkes zum Verbot des Islam

Zu diesem Zeitpunkt dürfte sich die überwältigende Mehrheit aller Moslems ein umfassendes Bild über ihre eigene Religion gemacht haben. Jedem müsste nun klar sein, in was er hineingeboren wurde. Und was diese Ideologie für eine tödliche Gefahr für alle Nichtmoslems bedeutet. Wenn die islamischen Verbände und Organisationen immer noch hartnäckig al allen Bestandteilen ihrer Ideologie festhalten, werden sie folgerichtig wegen Verfassungsfeindlichkeit verboten. (…)

8. Angebot an alle Moslems, ihre Religion zu verlassen

Den zu diesem Zeitpunkt noch verbliebenen vermutlich wenigen Moslems wird klargemacht, dass sie in Deutschland herzlich willkommen sind, wenn sie bereit sind, sich von dieser für die Gesellschaft so gefährlichen Ideologie abzuwenden. In nochmaligen Intensivkursen und Schulungen wird ihnen ein letztes Mal verdeutlicht, welche gefährlichen Botschaften sie immer noch befürworten. Wer selbst danach noch halsstarrig ein Moslem bleiben möchte, dürfte sich in seinem geistigen Zustand wohl nicht mehr allzusehr von den Inhaftierten in Guantanamo unterscheiden. Wohlgemerkt: Zu diesem Zeitpunkt der Entwicklung dürften seit Beginn der Aufklärungskampagne mehrere Jahre vergangen sein, in dem auch dem Allerletzten klar geworden sein muss, um was es sich beim Gesamtpaket Islam handelt. Wer sich jetzt noch unbelehrbar zeigt und nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, dem wird empfohlen, sein Heimatland aufzusuchen. Es wird ihm klargemacht, dass er in Deutschland keine Zukunft mehr hat, da sich seine Einwohner weder unterwerfen noch töten lassen wollen. Man kann diesen Fundamentalmoslems im Bedürftigkeitsfall auch eine Rückkehrhilfe anbieten. Den verbliebenen Moslems mit alleiniger deutscher Staatsbürgerschaft muss eine nochmalige Intensivschulung nahegelegt werden. Wer selbst dann noch uneinsichtig bleibt, wird wohl ein permanenter Überwachungsfall werden. Falls die Politik zu dem Zeitpunkt noch keine andere Gesetzeslage geschaffen hat.“

[Fettdruck jeweils nicht im Original]

In dem Aufruf, ein Verbot des Islam herbeizuführen, und in der Empfehlung an Muslime, die an ihrem Glauben festhalten wollen, Deutschland zu verlassen, sieht die Verfassungsschutzbehörde zu Recht Anhaltspunkte für den Verdacht einer Bestrebung zur Abschaffung des Islam in Deutschland. Es sollen aktiv politische Entscheidungen herbeigeführt werden, die für den Fall, dass die islamischen Vereinigungen und Verbände nicht auf wesentliche Grundlagen ihrer Religion verzichten, die Geltung der Religionsfreiheit für Muslime außer Kraft setzen.

Im der am 19. November 2011 vorgenommenen letzten Aktualisierung des Thesenpapiers werden die Thesen Nr. 6 bis 8 durch folgenden Text ersetzt (Beweismittel 12 und 13):

„Ich sehe die Islamisierung unseres Landes langfristig als existenzielle Bedrohung an, wenn wir die gefährlichen und verfassungsfeindlichen Elemente dieser Ideologie nicht entschärfen können. Daher habe ich mein Thesenpapier als gedankliche Grundlage für mögliche Gegenmaßnahmen geschrieben. Ich bin bei der Formulierung der Forderungen nach verbindlicher Distanzierung von den gefährlichen Bestandteilen des Islams inklusive einem Scharia-Verzicht von einer Verhärtung der Fronten ausgegangen. Daher habe ich die letzten Punkte in der Kausalkette meines Papiers unter dem Eindruck einer eskalierenden Situation formuliert. Dies ist aber aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbar und nach heutigem Stand aus verfassungsrechtlicher Sicht auch problematisch. Mögliche Grundgesetzänderungen und Neubewertungen des Islams sind aber fiktional und sollten keine Grundlage einer realitätsbezogenen Betrachtung sein. Daher nehme ich die letzten Punkte ‚Volksentscheid zum Verbot des Islams' und das in einem Slogan zugespitzt formulierte „Abschwören oder Abreisen“, das als Empfehlung gedacht war, zurück. Diese Punkte sind auch nicht mehr notwendig, denn wenn sich islamische Organisationen und Verbände, Koranschulen und Moscheegemeinden dem vorgelegten Forderungskatalog zur Modernisierung des Islams verweigern, können sie als verfassungsfeindlich eingestuft, überwacht sowie letztlich verboten bzw. geschlossen werden. Damit ist im Prinzip das Wichtigste zum Schutz der Bürger unseres Landes erreicht.“

[Fettdruck jeweils nicht im Original]

Mit dieser Aktualisierung aufgrund von verfassungsrechtlichen Bedenken nimmt ... zwar Abstand von dem geforderten „Volksentscheid zum Verbot des Islam“ und der Forderung „Abschwören oder Ausreisen“. Dies führt aber nicht zum Wegfall tatsächlicher Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen. Denn die Abkehr von den beiden letzten Thesen geschieht vor dem Hintergrund, dass es dieser Forderungen nach ... Einschätzung gar nicht bedürfe, da auch ohne einen Volksentscheid islamische Organisationen und Verbände sowie Koranschulen und Moscheegemeinden verboten werden könnten, wenn sie sich den weiterhin aufrecht erhaltenen übrigen Forderungen aus dem Thesenpapier verweigerten. Eine echte Abkehr von dem angestrebten Ziel, auf ein Islamverbot hinzuwirken, kann darin nicht gesehen werden. Zwar wurden diejenigen Passagen gestrichen, die wegen ihrer überspitzten Formulierung offenbar Missfallen erregt haben. Inhaltlich hält ... aber an der Forderung nach einer Koranzensur und nach der Abkehr der Muslime von wesentlichen Glaubensinhalten sowie der Forderung eines Islamverbots fest.

2.2.3.2. Weitere Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen mit dem Ziel, die Religionsfreiheit des Muslime außer Geltung zu setzen, ergeben sich aus den Wortbeiträgen ... anlässlich der vom Kläger zu 2) am ... Oktober 2013 in ... veranstalteten Demonstration zum Thema „Tag der Deutschen Einheit - Tag der offenen Moschee“.

a) Die Redebeiträge ... anlässlich der Demonstration vom ... Oktober 2013 sind dem Kläger zu 2) zurechenbar. Die Demonstration wurde vom Kläger zu 2) veranstaltet. Dies ist belegt durch die Ankündigung der Veranstaltung auf der Homepage von ... (Beweismittel 9) sowie durch die Tatsache, dass ein Banner mit der Aufschrift „...“ im Videomitschnitt der Veranstaltung regelmäßig zu sehen ist (Beweismittel 7). ..., der damals Landesvorsitzender des Klägers zu 2) war, ist ausweislich des Videomitschnitts als Hauptredner in Erscheinung getreten, und hat sich den Zuhörern selbst als Vertreter der ... vorgestellt (Auswertung Video: „Tag der Deutschen Einheit wird von Moslems“, 0:00:00 bis 0:00:18 - Beweismittel 6). Außerdem hat er - wie sich aus Beweismittel 8 ergibt - die Versammlung als Versammlungsleiter gegenüber den Behörden angezeigt. Dem Einwand der Kläger, ... habe sich nicht in seiner Eigenschaft als Vertreter der ... geäußert, kann daher nicht gefolgt werden.

b) In seinen Redebeiträgen stellt ... den Bezug zu seinem Thesenpapier her, indem er den Islam als verfassungsfeindliche Ideologie darstellt, die verboten gehöre, und die Muslime öffentlich auffordert, sich von allen verfassungsfeindlichen Bestandteilen ihrer Ideologie schriftlich zu distanzieren.

„(…) Eine Ideologie, die das Töten legitimiert und fordert, die die Verheiratung und damit den Geschlechtsverkehr mit minderjährigen Mädchen fordert und legitimiert, eine Ideologie die andere Menschen als schlimmer als das Vieh, weniger wert als Tiere deklassiert, die gehört verboten (…) Wir sind Menschenfreunde (…) gegenüber Moslems, weil wir ihnen die Hand reichen wollen, dass sie (…) all diesen schlimmen Dingen eine Absage erteilen, schriftlich, für alle Zeiten (…)“

(Auswertung Video: „Wo sind die deutschen Fahnen“, 0:11:30 bis 0:13:12 - Beweismittel 6)

„(…) streicht die Tötungsbefehle, ja, oder ihr werdet wegen Verfassungsfeindlichkeit verboten (…)“

(Auswertung Video: „Wir haben eine mächtigen Verbündeten“, 0:15:58 bis 0:16:58 - Beweismittel 6)

[Fettdruck jeweils nicht im Original]

Ebenfalls entsprechend dem Thesenpapier macht er das Aufenthaltsrecht von Muslimen und die Religionsausübung in Moscheen in Deutschland von einer Zensur des Korans abhängig.

„(…) So und deswegen rufen wir auch den Moslems da hinten zu, Leute, wir haben prinzipiell nichts gegen euch als Menschen, wir sagen, auch ihre seid herzlich willkommen in Deutschland, wenn ihr, wenn ihr euch zum Grundgesetz bekennt und der Scharia schriftliche eine Absage erteilt, wenn ihr euren Koran zensiert und alle Gewalt- und Tötungsbefehle streicht (…)“

(Auswertung Video: „Kundgebung vor Darul Quran Moschee“, 0:22:40 bis 0:24:18 - Beweismittel 6)

„(…) und wenn ihr damit einverstanden seid, dass das alles gestrichen wird, all diese verfassungsfeindlichen Dinge, dann habt ihr eine Chance hier, dass ihr Moscheen hier habt und beten dürft, aber erst wenn nichts gewaltforderndes und tötungsforderndes mehr im Islam ist (…)“

(Auswertung Video: „Wir haben einen mächtigen Verbündeten“, 0:17:17 bis 0:18:38 - Beweismittel 6)

[Fettdruck jeweils nicht im Original]

Die Zitate machen deutlich, dass ... auch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Klägers zu 2) die wesentlichen Inhalte seines Thesenpapiers öffentlich vertritt und damit durch öffentliches Auftreten ziel- und zweckgerichtet auf ihre Umsetzung hinarbeitet.

Die Verfassungsschutzbehörde konnte daher zu Recht davon ausgehen, dass im Hinblick auf gegen die Religionsfreiheit gerichtete Bestrebungen des Klägers zu 2) hinreichende Anhaltspunkte für einen Verdacht vorliegen.

2.3. Die Beobachtung aus offenen Quellen hält sich im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 4 Abs. 3 BayVSG).

Die Beobachtung des Klägers zu 2) durch das BayLfV aus allgemein zugänglichen Quellen ist geeignet, den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen des Klägers zu 2) weiter aufzuklären. Die Beobachtung im Wege der Auswertung offener Quellen ist auch erforderlich, da sie im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 BayVSG das mildeste Mittel im Rahmen der Beobachtung darstellt. Die offene Beobachtung des Klägers zu 2) in dem bislang praktizierten Umfang steht auch nicht erkennbar außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg (Art. 4 Abs. 3 Satz 2 BayVSG).

Die Auswirkungen der offenen Beobachtung auf die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) beschränken sich im Wesentlichen auf faktische Nachteile. Solche faktischen Nachteile ergeben sich daraus, dass dem Kläger zu 2) aufgrund der mit der Beobachtung verbundenen „Stigmatisierung“ der Zugang zu dem die überwiegende Mehrheit bildenden Teil der Bevölkerung erschwert werden kann, der sich als verfassungstreu betrachtet. Solche faktischen Nachteile einer Beobachtung durch Verfassungsschutzbehörden sind jedoch grundsätzlich in Abwägung mit der Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zumutbar und machen derartige Maßnahmen nicht unverhältnismäßig (vgl. für die Beobachtung von Parteien BVerfG, B.v. 18.3.2003 - 2 BvB 1/01 u. a. -, juris Rdnr. 77 (= BVerfGE 107, 339); OVG Rh.-Pf., U.v. 10.09.1999 - 2 A 11774/98 -, juris Rdnr. 79; VGH BW, B.v. 11.3.1994 - 10 S 2386/93 -, juris Rdnr. 3 (= DÖV 1994, 917); für die Beobachtung anderer Organisationen OVG NRW, U.v. 12.2.2008 - 5 A 130/05 - juris Rn. 371).

Auch auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) wirkt sich die Informationsbeschaffung aus offenen Quellen nur geringfügig aus, da diese keine Informationen enthalten, die dem persönlichen Lebensbereich der Betroffenen zuzuordnen wären, sondern ausschließlich deren Wirken in der Öffentlichkeit betreffen und von den Klägern selbst einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, um für ihr Anliegen zu werben. Im Verhältnis zum überragenden Gewicht der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, deren Schutz der Verfassungsschutzbehörde als Frühwarnbehörde obliegt, erscheint der wenig gewichtige Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht unangemessen oder unzumutbar und ist von den Betroffenen hinzunehmen (vgl. BVerwG, U.v.21.7.2010 - 6 C 22709 - Juris Rn. 102 ff.).

Damit erweist sich die Beobachtung des Klägers zu 2) aus offenen Erkenntnismitteln als rechtmäßig. Ein Anspruch auf Unterlassen der Beobachtung des Klägers zu 2) steht den Klägern nicht zu.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht hinsichtlich des zurückgenommenen Teils auf § 155 Abs. 2, im Übrigen auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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published on 14/05/2014 00:00

Tatbestand 1 Die Kläger, die "DawaFFM" (Klägerin zu 1) und der "Internationale Jugendverein - Dar al Schabab e.V." (Kläger zu 2), wenden sich gegen ein von dem Bundesmin
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Annotations

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,
3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts.

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,
3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

(1) Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über

1.
Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben,
2.
sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht,
3.
Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
4.
Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind.

(2) Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder wirken mit

1.
bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können,
2.
bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen,
3.
bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte,
4.
bei der Überprüfung von Personen in sonstigen gesetzlich bestimmten Fällen,
5.
bei der Geheimschutzbetreuung von nichtöffentlichen Stellen durch den Bund oder durch ein Land.
Die Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 sind im Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867) geregelt. Bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nummer 5 ist das Bundesamt für Verfassungsschutz zur sicherheitsmäßigen Bewertung der Angaben der nichtöffentlichen Stelle unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder befugt. Sofern es im Einzelfall erforderlich erscheint, können bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nummer 5 zusätzlich die Nachrichtendienste des Bundes sowie ausländische öffentliche Stellen um Übermittlung und Bewertung vorhandener Erkenntnisse und um Bewertung übermittelter Erkenntnisse ersucht werden.

(3) Die Verfassungsschutzbehörden sind an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetzes).

(1) Im Sinne dieses Gesetzes sind

a)
Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen;
b)
Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen;
c)
Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.
Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Bestrebungen im Sinne des § 3 Absatz 1 können auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln. In diesem Fall gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Verhaltensweise der Einzelperson darauf gerichtet sein muss, die dort genannten Ziele zu verwirklichen. Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen im Sinne des § 3 Abs. 1 ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte.

(2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen:

a)
das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
b)
die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
c)
das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
d)
die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
e)
die Unabhängigkeit der Gerichte,
f)
der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
g)
die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt.

(2) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte sowie die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis.

(3) Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert.

(4) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.

(1) Es besteht keine Staatskirche.

(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.

(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

(4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

(5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.

(6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.

(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.

(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.