Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil, 30. Aug. 2018 - 11 U 131/17

ECLI: ECLI:DE:OLGSH:2018:0830.11U131.17.00
published on 30/08/2018 00:00
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil, 30. Aug. 2018 - 11 U 131/17
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Gericht

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Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 20.10.2017 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Abhängigkeit der vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils von einer Sicherheitsleistung entfällt. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweiligen Vollstreckungsbetrages leistet.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

2

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht dem Beklagten verboten, den Zugang des Fahrradunterstandes von der G-straße aus zu sperren oder einzufrieden. Das Landgericht hat gemeint, die Klägerin habe ein dinglich gesichertes Nutzungsrecht an dem Fahrradunterstand, so dass der Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 1027, 1090 BGB begründet sei. Die Grunddienstbarkeit erfasse auch die eigentliche Nutzung des Fahrradunterstandes und nicht nur dessen Instandhaltung und Wartung. Durch die Sperrung des Zugangs von der G-straße werde die Nutzung erheblich erschwert. Entgegen dem Standpunkt des Beklagten sei die Sperrung auch nicht zur Sicherung des Bahnhofsgebäudes notwendig.

3

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er meint, das dingliche Recht berechtige die Klägerin nur dazu, den Fahrradunterstand in Ordnung zu halten, enthalte aber nicht das Recht auf Zugang zu dem Unterstand und schon gar nicht das Recht auf Zugang gerade von der G-straße aus. Die Bürger und Bahnkunden könnten den Fahrradunterstand nutzen. Er sei über den Bahnsteig problemlos erreichbar. Die Klägerin habe ihr dingliches Nutzungsrecht schonend auszuüben. Er - der Beklagte - habe die Absperrung zur G-straße hergestellt, um das Gelände zu schützen.

4

In seiner persönlichen Anhörung durch den Senat hat der Beklagte erklärt, die Fläche zwischen Fahrradunterstand und Bahnhofsgebäude diene zudem als notwendiger Stellplatz für drei Autos seiner Mieter. Auch deshalb könne der Zugang von der G-straße aus nicht genutzt werden.

5

Der Beklagte beantragt,

6

das Urteil des Landgerichts Kiel vom 20.10. 2017 abzuändern und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

8

die Berufung zurückzuweisen.

9

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

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Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Die Klägerin kann verlangen, dass der Beklagte es unterlässt, den straßenseitigen Zugang des Fahrradunterstandes zu versperren.

11

1. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gemäß §§ 1090 Abs. 1 und 2, 1027, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Dienstbarkeit ist so auszulegen, dass die Klägerin und die von ihr ermächtigten Nutzer das Grundstück zum Unterstellen von Fahrrädern nutzen dürfen. Diese Nutzung wird durch die von dem Beklagten errichteten Zäune beeinträchtigt.

12

1.1. Zutreffend hat das Landgericht die Nutzung des Fahrradunterstandes zum Abstellen von Fahrrädern als von der Dienstbarkeit umfasst angesehen. Der konkrete Inhalt einer Dienstbarkeit ist durch die Auslegung von Einigung und Eintragung zu ermitteln. Dabei kann auch eine längere Zeit geduldete tatsächliche Ausübung Anhalt für den ursprünglichen Rechtsinhalt geben (vgl. Palandt/Herrler, 77. Aufl., § 1018 Rn. 8). Schon nach dem Wortlaut ihrer Bewilligung kann die Dienstbarkeit auch das Unterstellen von Fahrrädern umfassen, obwohl diese nur für „das Unterhaltungs- und Wartungsrecht“ eingetragen werden sollte, die Benutzung zum Unterstellen von Fahrrädern also nicht ausdrücklich aufgeführt ist. Denn schon der Begriff der „Unterhaltung“ umfasst auch die Nutzung. In der Alltagssprache wird die Formulierung, einen Betrieb oder eine Einrichtung zu „unterhalten“, auch so gebraucht, dass diese Einrichtung genutzt wird, bezeichnet also nicht nur die bauliche Unterhaltung, sondern auch die bestimmungsgemäße Nutzung. Wer beispielsweise sagt, er „unterhalte“ eine Zweitwohnung, wird nicht so verstanden, dass er dort nur tapeziert oder streicht, sondern eher so, dass er diese Wohnung auch bewohnt, also einfach benutzt. Folgerichtig definiert auch der Duden die Bedeutung von „unterhalten“ als „etwas halten, einrichten, betreiben und dafür aufkommen“.

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Allenfalls der Zusammenhang der Regelung, in der zunächst unter Ziffer 1 von der Unterhaltung und unentgeltlichen Benutzung die Rede ist, dann aber unter der Ziffer 2 ein Nutzungsrecht nicht erwähnt wird, kann dafür sprechen, dass im Vertrag zwischen Nutzung und Unterhaltung unterschieden werden sollte, Nutzung also keine Unterhaltung sein soll.

14

Entscheidend für die Auslegung, dass auch die Nutzung der Anlage von der Dienstbarkeit erfasst ist, ist aber der Sinn und Zweck des Vertrages. Die bauliche Unterhaltung eines Fahrradunterstandes, den niemand nutzen darf, wäre sinnlos und ist erkennbar von den Vertragsparteien nicht gewollt. Vor dem Kauf und zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wurde der Fahrradunterstand langfristig als solcher benutzt. Dies wollten die Vertragsparteien nicht ändern.

15

1.2. Die ursprünglich vom Beklagten angebrachten Absperrungen eines Eingangs durch einen Zaun beeinträchtigten die Dienstbarkeit. Eine Beeinträchtigung der Dienstbarkeit ist jede Störung oder Behinderung der rechtmäßigen Ausübung (vgl. Palandt/Herrler, 77. Aufl.,§ 1027 BGB Rn. 1). Eine von zwei baulich vorgesehenen Zugangsmöglichkeiten war versperrt. Schon dadurch wurde die Nutzungsmöglichkeit erheblich beschränkt, nicht anders, als wenn eine von zwei Eingangstüren eines Hauses versperrt ist. Die Nutzer mussten ihre Fahrräder über den Bahnsteig schieben. Ein zügiger Zugang von der Straße war dagegen nicht möglich, die Nutzer wurden also in ihrer Rechtsausübung behindert.

16

Auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Klägerin aus §§ 1090 Abs. 2, 1020 BGB zur schonenden Ausübung ihres Rechtes ergibt sich nicht, dass der Zugang zur Straße gesperrt werden darf. Nach dieser Vorschrift ist das Interesse des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen. Ein Interesse des Beklagten, den straßenseitigen Zugang zu sperren, ist nicht erkennbar. Dieses ergibt sich auch nicht aus der Gefahr von Vandalismusschäden, die eine Einzäunung des Grundstücksteils erforderlich machen sollen. Unter diesem Gesichtspunkt ist jedenfalls nicht verständlich, warum der straßenseitige Zugang des Fahrradunterstandes mit einem Zaun versperrt werden musste. Der Beklagte kann sein Gebäude und die davor liegende Terrasse einzäunen, ohne die Zugangsmöglichkeit zum Fahrradunterstand zu beschränken. Er muss nur den Zugang zum Fahrradunterstand von der Einzäunung ausnehmen und einen Teil des Weges davor freigegeben.

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Auf die Frage ob er wegen der Wegerechte Dritter überhaupt Zäune errichten darf, kommt es mithin gar nicht an.

18

Ein Interesse an der Absperrung ergibt sich auch nicht aus dem vom Beklagten erstmalig in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Umstand, dass die Fläche vor dem Eingang als notwendiger PKW-Stellplatz für seine Mieter zu nutzen sei. Dabei kann offen bleiben, ob dieses Vorbringen als neue Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 ZPO überhaupt zuzulassen ist. Jedenfalls überwiegt das Interesse des Beklagten daran, einen gebäudenahen Stellplatz für Autos zu schaffen, nicht das Interesse der Klägerin, Fahrradstellplätze leicht zugänglich verfügbar zu halten.

19

1.3. Der Umstand, dass der Beklagte den Zugang zum Fahrradunterstand nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils freigegeben hat, ändert nichts an dem Unterlassungsanspruch. Die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen ergibt sich aus der Rechtsverletzung durch den Beklagten in der Vergangenheit.

20

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der

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(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die in § 1004 bestimmten Rechte zu.

(1) Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann (beschränkte persönliche Dienstbarkeit).

(2) Die Vorschriften der §§ 1020 bis 1024, 1026 bis 1029, 1061 finden entsprechende Anwendung.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.