Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 22. März 2017 - 4 Sa 438/16

, updated: 22/03/2017 00:00
Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 22. März 2017 - 4 Sa 438/16
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Arbeitsgericht Bayreuth, 3 Ca 889/15, 26/07/2016

Gericht

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Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth - Kammer Hof - vom 26.07.2016, Az.: 3 Ca 889/15, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

Der Kläger ist auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 30.01.2013 (Kopie Bl. 9 d.A.) ab dem 01.04.2013 als vollbeschäftigte Lehrkraft für besondere Aufgaben unbefristet an der Hochschule A-Stadt beschäftigt.

In § 2 des Arbeitsvertrages heißt es: „Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge, in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden im Bereich des Arbeitgebers die jeweils geltenden einschlägigen Tarifverträge Anwendung.

Grundlage für die Regelung des Lehrdeputats bildet die Lehrverpflichtungsverordnung (LUFV) in der jeweils geltenden Fassung. …“

In § 4 wird unter der Überschrift „Eingruppierung“ geregelt:

„(1) Der Beschäftigte ist in Entgeltgruppe 12 TV-L eingruppiert (§ 12 Absatz 2 TV-L).

(2) Der Arbeitgeber ist berechtigt, dem Beschäftigten aus dienstlichen Gründen eine andere Tätigkeit im Rahmen der Entgeltgruppe zuzuweisen.“

Der Kläger wurde in der Folgezeit entsprechend dieser Vertragsbestimmungen nach der Entgeltgruppe 12 Stufe 3 vergütet.

Nach einer Überprüfung durch den Rechnungshof und auf seiner Beanstandung hin nahm die Hochschule A-Stadt mit Schreiben vom 14.07.2015 (Bl. 10 d.A.) eine korrigierende Rückgruppierung in die Entgeltgruppe 11 vor. In dem Schreiben wird ausgeführt, dass bei der Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe 12 Stufe 3 die Verordnung über die Einstellungsvoraussetzung für Lehrkräfte für besondere Aufgaben nicht korrekt angewendet und die Entgeltgruppenfeststellung nicht korrekt vorgenommen worden sei. Anstelle der vom Staatsministerium bekannt gegebenen Eingruppierungsrichtlinie sei die Eingruppierung des Klägers nach der Anlage A zum TV-L (Entgeltordnung) erfolgt. Daher sei eine tarifgerechte Neueingruppierung des Klägers erforderlich. Nach der anzuwendenden Verordnung sei der Kläger in die Entgeltgruppe 11 Stufe 3 einzugruppieren. Insofern werde eine korrigierende Rückgruppierung in die Entgeltgruppe 11 vorgenommen. Im Interesse einer Vermeidung unbilliger Härten werde dem Kläger ab dem 01.08.2015 eine abbaubare persönliche Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der tariflich unzutreffenden Eingruppierung in die Entgeltgruppe 12 Stufe 3 und der tarifgerechten Vergütung Entgeltgruppe 11 Stufe 3 zugesagt. Künftige Erhöhung der tariflichen Vergütung bzw. des Monatstabellenlohns durch höhere Eingruppierungen etc. würden angerechnet.

Mit Schreiben vom 21.5.2016 (Bl. 117 d.A.) erklärte der Präsident der Hochschule A-Stadt im Namen des Beklagten vorsorglich für den Fall, dass der Vergütungsregelung in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags konstitutive Wirkung beigemessen werden sollte, die Anfechtung der diesbezüglichen Erklärung.

Mit seiner Klage vom 11.12.2015 wendet sich der Kläger gegen die erfolgte Rückgruppierung und begehrt die Beibehaltung der Eingruppierung und Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 Entgeltstufe 3 bzw. ab 01.04.2016 Entgeltstufe 4.

In seinem Schriftsatz vom 29.03.2016 stützt er sich auf den konstitutiven Charakter der in seinem Vertrag vereinbarten Entlohnung nach der Entgeltgruppe 12 TV-L.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Bayreuth - Kammer Hof - hat mit Endurteil vom 26.07.2016 der Klage stattgegeben.

Gegen das dem Beklagten am 06.09.2016 zugestellte Urteil haben seine Prozessbevollmächtigten mit Telefax vom 23.09.2016 Berufung eingelegt und sie mit weiterem Telefax vom 14.10.2016 begründet.

Der Beklagte ist der Meinung, die Angabe der Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag habe lediglich deklaratorische und keine konstitutive Wirkung. Dies ergebe die vorzunehmende Auslegung des § 4 Absatz 1 des Vertrages wegen der in § 2 vorgenommenen Bezugnahme auf die Tarifbestimmungen des TV-L.

Bei Vertragsschluss seien beide Parteien davon ausgegangen, dass sich die Tätigkeit des Klägers unter die in § 2 des Vertrages in Bezug genommenen tarifvertraglichen Eingruppierungsbestimmungen subsumieren ließe und in § 4 Absatz 1 nur das wiedergegeben werde, was sich aus dem in Bezug genommenen Tarifrecht ergebe. Nachdem das in Bezug genommene Tarifrecht die Tätigkeit des Klägers in Wahrheit nicht erfasse, fehle es an einer die Vergütung regelnden vertraglichen Vereinbarung und es finde § 612 Abs. 2 BGB Anwendung. Aus der Feststellung der Entgeltgruppe vom 07.03.2013 (Bl. 31 d.A.) ergebe sich, dass die Personalabteilung der Hochschule A-Stadt beim Kläger von einem Beschäftigten in der Forschung und der Anwendbarkeit von Teil II Abschnitt 6 der Anlage A zum TV-L ausgegangen sei, was jedoch nicht zutreffe.

Durch den in § 4 Absatz 1 des Vertrages enthaltenen Verweis auf § 12 Absatz 2 TV-L sei für den Kläger der deklaratorische Charakter der Angabe der Entgeltgruppe verdeutlicht worden.

Jedenfalls greife die Eventualanfechtung vom 18.05.2016, denn der Beklagte habe im Hinblick auf § 4 Absatz 1 des Vertrages ohne rechtsgeschäftliches Erklärungsbewusstsein gehandelt. Dies rechtfertige eine Anfechtung im Rahmen des § 119 Abs. 1 BGB. Es handle sich hierbei um keinen unbeachtlichen Rechtsfolge- oder Motivirrtum. Die Anfechtungsfrist sei nicht versäumt, da diese nicht bereits mit Zuleitung des gegnerischen Schriftsatzes vom 29.03.2016 zu laufen begonnen habe, in dem der Kläger erstmals den konstitutiven Charakter der Vereinbarung in § 4 Abs. 1 des Vertrages reklamiert habe, sondern erst mit positiver Kenntnis des Justitiars der Hochschule von der Entscheidung des BAG vom 21.08.2013 - 4 AZR 656/11 - am 11.05.2016. Erst hierdurch sei die erforderliche positive Kenntnis von dem nicht gewollten konstitutiven Charakter der Angabe der Vergütungsgruppe in dem Anstellungsvertrag erkannt worden. Mit Zuleitung des Anfechtungsschreibens an den Kläger am 18.05.2016 sei die Erklärungsfrist gewahrt worden.

Bei richtiger Anwendung der Rechtsgrundlage sei der Kläger nach seiner Tätigkeit in die Entgeltstufe 11 eingruppiert.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 26.07.2016, Az. 3 Ca 889/15, wird abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

  • 1.Die Berufung wird zurückgewiesen.

  • 2.Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Zur Begründung trägt er vor, ihm sei im Zusammenhang mit den Vertragsverhandlungen die Entgeltgruppe 12 als maßgebliche Entgeltgruppe mitgeteilt worden und er habe, da in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehend, hiervon auch den Arbeitgeberwechsel abhängig gemacht. Er habe aufgrund des im Vertrag in Bezug genommenen Tarifwerks und der Aufnahme der ihm mitgeteilten Entgeltgruppe 12 in den Vertragstext davon ausgehen können, diese Entgeltgruppe stehe mit den einbezogenen Tarifbestimmungen in Einklang. Zu diesen Konditionen sei er bereit gewesen, den Vertrag einzugehen.

Zu keinem Zeitpunkt sollten andere Eingruppierungsregelungen, die zu einem abweichenden Ergebnis führen würden, in den Vertrag einbezogen werden, insbesondere nicht Richtlinien für die Eingruppierung von Lehrkräften.

Eine Eventualanfechtung hätte von der Arbeitgeberin unverzüglich nach Erhalt seines Schriftsatzes vom 29.03.2017 erklärt werden müssen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung ist sachlich nicht begründet Das Erstgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, denn in dem Arbeitsvertrag vom 30.01.2013 haben die Vertragspartner eine wirksame Vereinbarung dahingehend getroffen, dass die Tätigkeit des Klägers nach der Entgeltgruppe 12 TV-L vergütet wird.

Diese Vereinbarung ist von dem Beklagten nicht mit Erfolg angefochten worden.

1. Das Erstgericht hat im vorliegenden Fall zu Recht der vertraglichen Regelung in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrages des Klägers in Bezug auf die dort aufgeführte Entgeltgruppe 12 TV-L konstitutive Wirkung beigemessen und sich dabei zutreffend auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 21.08.2013 (4 AZR 656/11 - NZA 2014, 561) gestützt.

Wie in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall haben auch die hiesigen Parteien in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrages eine eigenständige vertragliche Regelung über die dem Kläger zustehende Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 TV-L getroffen.

Bei einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung ist grundsätzlich davon auszugehen, dass übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen. Soll der Nennung einer Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag daher keine rechtsgeschäftlich begründende Wirkung zukommen, sondern es sich nur um eine deklaratorische Angabe in Form einer so genannten Wissenserklärung handeln, muss dies im Arbeitsvertrag deutlich zum Ausdruck gebracht worden sein.

Zwar kann ein Arbeitnehmer aufgrund der Nennung einer Entgeltgruppe in einem Arbeitsvertrag im öffentlichen Dienst ohne das Hinzutreten weiterer Umstände regelmäßig nicht davon ausgehen, ihm solle ein eigenständiger, von den tariflichen Eingruppierungsbestimmungen oder anderen in Bezug genommenen Eingruppierungsregelungen unabhängiger Anspruch auf eine Vergütung nach der genannten Entgeltgruppe zustehen. Erforderlich ist allerdings, dass sich aus dem Inhalt des Arbeitsvertrages deutlich ergibt, allein die bezeichneten (tariflichen) Eingruppierungsbestimmungen sollen für die Ermittlung der zutreffenden Entgelthöhe maßgebend sein und nicht die angegebene Entgeltgruppe (so BAG a.a.O.).

Nach diesen Rechtsgrundsätzen kann dann nicht von einer so genannten deklaratorischen Nennung der Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag ausgegangen werden, wenn die im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen (tariflichen) Regelungswerke keine Eingruppierungsbestimmung für die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit enthalten, aus denen sich die zutreffende Vergütung ermitteln ließe.

Dann fehlt es regelmäßig für den Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger an den erforderlichen Anhaltspunkten, der Arbeitgeber wolle ihn nach einem Eingruppierungswerk vergüten, aus dem sich die zutreffende Entgeltgruppe allein aufgrund der vertraglich vereinbarten Tätigkeit ermitteln lässt und bei der genannten Entgeltgruppe handele es sich nicht um eine Willens-, sondern ausnahmsweise nur um eine so genannte Wissenserklärung. In der Folge kann der Arbeitnehmer, wenn das in Bezug genommene Vergütungssystem für die von ihm auszuübende Tätigkeit keine Festlegung enthält, die Nennung einer Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag grundsätzlich als ausdrücklichen Antrag auch in Bezug auf die Ermittlung der maßgebenden Vergütungshöhe verstehen.

Nimmt er darauf diesen Antrag an, ist die Entgeltgruppe damit arbeitsvertraglich konstitutiv festgelegt (so BAG a.a.O.).

Vorliegend ist diese besondere Fallgestaltung gegeben, denn die in § 2 des Vertrages in Bezug genommenen tarifvertraglichen Regelungen enthalten - wie zwischen den Parteien unstreitig - für die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit des Klägers keine zutreffenden Eingruppierungsbestimmungen.

Auf den Kläger finden - ebenfalls unbestritten - weder die Entgeltordnung zum TV-L (Anlage A) noch die besondere Entgeltordnung-L (für Lehrkräfte) zum TV-L Anwendung.

Für seinen Tätigkeitsbereich wäre vielmehr eine vom Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst erlassene besondere Eingruppierungsrichtlinie einschlägig. Diese ist im Arbeitsvertrag jedoch weder genannt noch in Bezug genommen oder als Rechtsgrundlage der Eingruppierung und Vergütungsfindung angesprochen.

Kann die Tätigkeit des Klägers keiner der Eingruppierungsregelungen der in § 2 des Vertrages in Bezug genommenen tariflichen Bestimmungen zugeordnet werden, scheidet eine objektive Auslegung aus Sicht des Erklärungsempfängers aus, das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt sei bereits durch die in Bezug genommenen kollektivrechtlichen Bestimmungen festgelegt und die Vertragsbestimmung in § 4 Abs. 1 enthalte nur einen entsprechenden deklaratorischen Hinweis.

Vielmehr erfolgt die erforderliche Zuordnung zu einer Entgeltgruppe des TV-L erst durch die Angabe in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrages, die daher als übereinstimmende vertragliche Vergütungsabrede mit konstitutiver Wirkung zu verstehen ist (so BAG aaO.).

Dieses in § 4 Abs. 1 enthaltene Angebot hat der Kläger durch seine Unterschrift auf dem Arbeitsvertrag angenommen.

Ein in dem Arbeitsvertrag nicht genanntes oder in Bezug genommenes Eingruppierungssystem ist nicht Vertragsinhalt geworden.

Dies würde Anhaltspunkte dafür voraussetzen, den Parteien sei bei Vertragsschluss bewusst und bekannt gewesen, dass die in den §§ 2 und 4 genannten Regelungen des TV-L mit seinen Entgeltordnungen nicht zutreffend sind und völlig unabhängig davon die sachlich zutreffenden Regelungen zur Anwendung gelangen sollen. Für einen solchen übereinstimmenden Parteiwillen, abweichend vom schriftlichen Vertragsinhalt sollten andere Eingruppierungsregelungen für die Entgeltbestimmung maßgebend sein, bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Der Kläger hat einen diesbezüglichen Willen ausdrücklich in Abrede gestellt.

Insoweit hätte auch das auch im Bereich des öffentlichen Dienstes geltende Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB geboten, dass der Arbeitgeber als Verwender von ihm vorformulierter Vertragsbestimmungen nicht nur zum Ausdruck bringt, ein in Bezug genommenes konkretes Regelungswerk solle für die Ermittlung der zutreffenden Entgeltgruppe maßgebend sein, sondern er zugleich auch dafür Sorge tragen muss, dass sich diese hieraus auch ohne weiteres ermitteln lasse (so BAG aaO).

Damit scheidet die Anwendbarkeit eines anderen Regelungswerkes als dem in den

§§ 2 und 4 des Arbeitsvertrages genannten des TV-L aus.

2. Der Beklagte hat die Vergütungsvereinbarung im Arbeitsvertrag nicht wirksam wegen Irrtums gem. § 119 Abs. 1 BGB angefochten.

a) Ein zur Anfechtung berechtigender Klärungs- oder Inhaltsirrtum hat bei den für den Beklagten handelnden Personen bei Abgabe des Vertragsangebotes an den Kläger nicht vorgelegen.

Diese haben nämlich in dem schriftlichen Vertragsangebot hinsichtlich des anzuwendenden Tarifrechts nebst den darin enthaltenen Eingruppierungsregelungen sowie die der Tätigkeit des Klägers zuzuordnende Entgeltgruppe das erklärt, was sie rechtsgeschäftlich haben erklären wollen.

Dies betrifft zum einen die in § 2 des Vertrages vorgenommene Inbezugnahme des Regelungswerkes des TV-L einschließlich der hierin enthaltenen Entgeltordnung (Anlage A).

Aber auch die auf Basis dieser Entgeltordnung vorgenommene Eingruppierungsentscheidung, was die Entgeltgruppe 12 TV-L anlangt. Wie aus der vereinfachten Feststellung der Entgeltgruppe vom 07.03.2013 (Kopie Bl. 31 d.A.) aus der dortigen Ziffer 3 Abs. 1 ersichtlich, sollte für die Tätigkeit des Klägers als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Hochschule A-Stadt der Teil I der Entgeltordnung zum TV-L zur Anwendung gelangen. Wegen der fehlenden persönlichen Voraussetzungen des Klägers für die Entgeltgruppe 13 sollte die Eingruppierung unter entsprechender Anwendung der Nr. 1 Abs. 4 der Vorbemerkungen zu allen Teilen der Entgeltordnung in die nächst niedrigere Entgeltgruppe 12 TV-L erfolgen (so Ziffer 3 Abs. 3 der Feststellung).

Diesen bei Abschluss des Arbeitsvertrages bestehenden Willen hat der vertretungsberechtigte Präsident der Hochschule A-Stadt durch die Regelungen in § 2 und 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrages zum Ausdruck gebracht. Insoweit liegt eine Diskrepanz zwischen dem äußeren Erklärungstatbestand und dem Willen des Erklärenden nicht vor.

Soweit sich der Beklagte darauf beruft, er habe sich über die rechtsgeschäftliche Auswirkung der Widergabe der gefundenen Entgeltgruppe 12 in § 4 Abs. 1 des Vertrages geirrt, ist dies kein Grund, der zur Anfechtung wegen Irrtums nach § 119 Abs. 1 BGB berechtigt.

Nach dieser Bestimmung kann ein Irrtum über die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung nur dann als Inhaltsirrtum zur Anfechtung der abgegebenen Willenserklärung berechtigen, wenn diese Rechtsfolgen selbst Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärung sind. Sie müssen kraft des auf sie gerichteten Willens eintreten. Dies ist der Fall, wenn das Rechtsgeschäft infolge Verkennung seiner rechtlichen Bedeutung einer von der gewollten wesentlich verschiedene Rechtswirkungen herbeiführt, nicht aber, wenn ein irrtumsfrei erklärtes und gewolltes Rechtsgeschäft außer der erstrebten Wirkung noch andere nicht erkannte oder nicht gewollte Nebenfolgen hervorbringt. Ebenso wenig berechtigt es zur Anfechtung wegen eines Inhaltsirrtums, wenn die mittelbar mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Folgen nicht eintreten (vgl. BAG vom 10.02.2004 - 9 AZR 401/02 - NZA 2004, 606).

Ein Irrtum über die rechtliche Tragweite des Vertragsangebotes lag bei dem Vertreter des Beklagten nicht vor, denn dieser wollte sich infolge der Regelung in § 2 des Vertrages - ausweislich der vorgenommenen Feststellung der Entgeltgruppe nach der Anlage A zum TV-L - verpflichten, die vom Kläger zu verrichtende Tätigkeit in die in § 4 Abs. 1 wiedergegebene Entgeltgruppe 12 einzugruppieren und den Kläger entsprechend zu vergüten. Dass sich diese gewollte Rechtsfolge nicht schon aus dem in Bezug genommenen Tarifrecht aus § 2 des Vertrages ergibt, sondern erst aus dem in § 4 Abs. 1 des Vertrages enthaltenen Vertragsangebot selbst, begründet keinen Irrtum über die Tragweite der Erklärungsregelungen in den §§ 2 und 4 Abs. 1 des Vertrages. Insoweit stehen die vertraglichen Bestimmungen in § 2 und § 4 Abs. 1 des Vertrages in einem inneren Kontext und sind nicht isoliert zu betrachten.

Soweit die Vertreter des Beklagten sich bei Vertragsabschluss in einem Irrtum befanden, betraf dieser die gebotene Anwendung der ministeriellen Eingruppierungsrichtlinie für Lehrkräfte anstelle der Anlage A zum TV-L und den diesbezüglich unterlassenen Verweis im Arbeitsvertrag des Klägers. Hierbei handelt es sich indes um einen im Rahmen des § 119 Abs. 1 BGB unbeachtlichen Irrtum im Rahmen der internen Willensbildung und Erklärungsvorbereitung (sogenannter Motivirrtum, vgl. Palandt-Ellenberger, 76. Aufl., § 119 Rz. 29).

b) Selbst wenn der Irrtum über die anzuwendende Eingruppierungsrichtlinie bei Abfassung der §§ 2 und 4 Abs. 1 des Vertrages eine Irrtumsanfechtung im Rahmen des § 119 Abs. 1 BGB rechtfertigen würde, wäre die Anfechtungsfrist des § 121 BGB versäumt. Die mit Schreiben vom 18.05.2016 erklärte Anfechtung ist nicht mehr unverzüglich im Sinne des § 121 Abs. 1 BGB.

Die Anfechtung hätte von dem Beklagten schon unverzüglich nach Erhalt des Prüfberichtes des Bayerischen Obersten Rechnungshofes Mitte des Jahres 2015 erfolgen müssen. In diesem wurde nämlich gerügt, dass zu Unrecht die Eingruppierung des Klägers nach der Anlage A zum TV-L und nicht nach der zu beachten ministeriellen Eingruppierungsrichtlinie erfolgt ist. Bereits hierdurch wurde den handelnden Personen klar, dass die vorgenommene Entgeltfindung, entsprechend der Bestimmungen der §§ 2 und 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrages, den zu beachtenden Eingruppierungsregeln nicht entsprochen hat. Hätte man sich aus diesem Grund an dem Inhalt des abgeschlossenen Vertrages nicht mehr festhalten wollen, wäre es geboten gewesen, unverzüglich nach Erkennen dieses Willensbildungsfehlers eine Anfechtung des Vertrages gemäß § 121 Abs. 1 BGB zu erklären.

Statt einer gebotenen Anfechtungserklärung mit Schreiben vom 14.07.2015 (Kopie Bl. 10 d.A.) eine einseitige korrigierende Rückgruppierung vornehmen zu wollen, gereicht dem Beklagten zum Nachteil, denn die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21.08.2013 (a.a.O.) war zum damaligen Zeitpunkt bereits veröffentlicht. Hierdurch hätte klar sein müssen, dass infolge der fehlenden vertraglichen Einbeziehung der ministeriellen Eingruppierungsrichtlinie eine einseitige korrigierende Rückgruppierung vertragsrechtlich nicht in Betracht kam.

Neben einer einvernehmlichen Abänderung des Arbeitsvertrages wäre nur eine arbeitgeberseitige Änderungskündigung in Betracht gekommen, wollte man an dem Vertragsverhältnis an sich festhalten.

Zu Recht hat das Erstgericht in seiner Entscheidung ausgeführt, dass jedenfalls nach Erhalt des klägerischen Schriftsatzes vom 29.03.2016 Veranlassung bestanden hätte, spätestens jetzt von einem Anfechtungsrecht Gebrauch zu machen. In diesem Schriftsatz hat sich der Kläger nämlich auf eine konstitutive Vertragsregelung bezüglich der Eingruppierung berufen und hatte der Beklagte mit Erhalt dieses Schriftsatzes Kenntnis davon, dass der Kläger vom objektiven Empfängerhorizont aus die Regelung in § 4 Abs. 1 seines Vertrages so versteht. Damit hatte der Beklagte Kenntnis von Umständen, die gegebenenfalls das Auseinanderfallen von Wille und Erklärung begründen. Erkennt der Anfechtungsberechtigte, dass sich Wille und Erklärung möglicherweise nicht gedeckt haben, ist zur Fristwahrung eine Eventualanfechtung geboten (vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 121 BGB Rz. 2).

III.

1. Der Beklagte hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Im Hinblick auf Verneinung eines Anfechtungsrechtes und der zu beachtenden Erklärungsfrist wird dem vorliegenden Rechtsstreit über den Einzelfall hinausgehende rechtliche Bedeutung beigemessen und deshalb die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zugelassen.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Annotations

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)