Strafprozessrecht: Rechtsbeugung durch Staatsanwalt

published on 06/11/2017 10:08
Strafprozessrecht: Rechtsbeugung durch Staatsanwalt
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Zu den Voraussetzungen der Rechtsbeugung durch einen Staatsanwalt bei bewusstem Nichtbetreiben von anklagereifen Ermittlungsverfahren – Rechtsanwälte Streifler & Kollegen – Anwälte für Strafrecht
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 14.09.2017 (4 StR 274/16) folgendes entschieden:

Tenor:


Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 25. Februar 2016 wird

die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO im Fall II.2. der Urteilsgründe mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in zwei tateinheitlichen Fällen beschränkt;

das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

soweit der Angeklagte in den Fällen II.3. bis 6. der Urteilsgründe verurteilt ist; jedoch bleiben insoweit die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten;

in den Fällen II.1. und 2. der Urteilsgründe im Strafausspruch;

im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe verwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in sechs Fällen, davon in einem Fall in drei tateinheitlichen Fällen, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner auf die Sach- und eine Verfahrensrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Der Angeklagte ist - seit Juli 2012 vom Dienst suspendierter - Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Freiburg. Seiner Verurteilung liegen Ermittlungsverfahren zugrunde, in denen er es trotz von ihm jeweils zutreffend beurteilter Verurteilungswahrscheinlichkeit und bestehender Anklagereife unterließ, gegen die Beschuldigten der betroffenen Verfahren die öffentliche Klage - gegebenenfalls durch Beantragung eines Strafbefehls - zu erheben. In sämtlichen Fällen wusste der Angeklagte darum, dass die Beschuldigten bei Erhebung der öffentlichen Klage der von ihnen verwirkten Strafe zugeführt werden würden. Im Fall II.2. unterließ er es zudem, das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf eine polizeilich zunächst als Zeugin und später als Tatverdächtige vernommene Beschuldigte zu erstrecken, die ihre Tatbeteiligung eingeräumt hatte.

Das Unterlassen der Erhebung der öffentlichen Klage durch den Angeklagten führte in den Fällen II.1. und 2., im letztgenannten Fall gegenüber zwei Beschuldigten, zum Eintritt der Strafverfolgungsverjährung. In den Fällen II.3. bis 6. schloss der Dezernatsnachfolger des Angeklagten die Ermittlungen nach dessen Suspendierung ab. Die Amtsgerichte Staufen, Ettenheim und Freiburg verhängten in diesen Fällen sodann gegen die Beschuldigten - in den Fällen II.3. und 4. durch Strafbefehl - jeweils zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafen. Im Fall II.3. berücksichtigte das Amtsgericht Staufen die "ungewöhnlich lange [...] Verfahrensverzögerung", im Fall II.6. das Amtsgericht Freiburg den Umstand, "dass der Beschuldigte durch die lange Verfahrensdauer [...] erheblich beeinträchtigt" wurde, als strafmildernde Umstände. Im Fall II.5. erklärte das Amtsgericht Staufen drei Monate der gegen den Beschuldigten verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wegen einer "überlangen Verfahrensdauer" für vollstreckt. Gegen die nach der Suspendierung des Angeklagten im Fall II.2. nacherfasste Beschuldigte stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren "aufgrund der lange zurückliegenden Tatzeit, des Geständnisses und der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung" gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein.

Im Einzelnen hat das Landgericht folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Die Erlasslage des baden-württembergischen Justizministeriums verpflichtete die Staatsanwälte, dem zuständigen Generalstaatsanwalt über alle Ermittlungsverfahren zu berichten, die länger als ein Jahr unerledigt in ihrem Dezernat anhängig waren. Anfang 2011 verfügte der Leitende Oberstaatsanwalt in Freiburg, dass ihm die Rückstandsberichte vorzulegen waren. Um seiner Berichtspflicht in den überjährigen Verfahren nicht nachkommen zu müssen, verfügte der Angeklagte in den den verfahrensgegenständlichen Fällen zugrunde liegenden Akten den Abschluss der Ermittlungen durch angeblich diktierte Anklagen oder Strafbefehlsanträge oder stellte die Verfahren entgegen der von ihm zutreffend gewürdigten Sach- und Rechtslage ein, ohne die Beschuldigten hiervon zu benachrichtigen oder Anzeigenerstatter zu bescheiden. Den sachbearbeitenden Polizeistellen teilte er die Einstellungen ebenfalls nicht mit. Mit den Scheinverfügungen veranlasste der Angeklagte seine Geschäftsstelle, die Ermittlungsverfahren aus dem Register als erledigt auszutragen und damit der Dienstaufsicht des Generalstaatsanwalts und seines eigenen Behördenleiters zu entziehen. Anschließend nahm er die Akten mit dem Vorhaben wieder an sich, die Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt dem von ihm zutreffend als allein sachgerecht erkannten Abschluss durch Erhebung der öffentlichen Klage zuzuführen. Ohne dieses Vorhaben aufzugeben, bewahrte der Angeklagte die Akten bis zum 27. Juni 2012 in seinem Dienstzimmer und schließlich bis zur Entdeckung seines Vorgehens am 29. Juni 2012 kurzzeitig im Keller seiner Mutter auf. In der gesamten Zeit nach den Scheinverfügungen verlor er die Verfahren nicht aus dem Blick. In den Fällen II.1. und 2. wusste der Angeklagte durchgehend darum, wann im Hinblick auf die Tat des jeweiligen Beschuldigten Verjährung eintreten würde. Ebenso war sich der Angeklagte bewusst, dass die Akten seit seinen Scheinverfügungen keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlagen. Seine anfangs hohe Arbeitsbelastung stand einer Erhebung der öffentlichen Klage jedenfalls ab Anfang 2009 nicht entgegen.

Zu den einzelnen Fällen hat das Landgericht folgende weitere Feststellungen getroffen:

Das seit August 2005 gegen die Beschuldigte Ma. geführte Verfahren 330 Js, dem 13 sicher nachzuweisende betrügerische Warenbestellungen zugrunde lagen, stellte der Angeklagte im Juli 2006 gemäß § 154 Abs. 1 StPO ein. Das für die Einstellung herangezogene Bezugsverfahren 330 Js, das zu einer Verurteilung wegen Betrugs in mindestens 32 Fällen geführt hätte, war seit dem 6. Dezember 2006 anklagereif. Zum 15. September 2007 wurde es berichtspflichtig. Am 30. Oktober 2007 verfügte der Angeklagte dessen Abschluss durch eine angeblich diktierte Anklage. Spätestens ab Beginn des Jahres 2009 war das Unterlassen der Anklageerhebung nach Auffassung des Landgerichts "unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten". Im Laufe des Jahres 2011 trat Strafverfolgungsverjährung ein. Eine rechtzeitige Anklageerhebung hätte zur Verurteilung der Beschuldigten geführt.

Der Angeklagte führte unter dem Aktenzeichen 330 Js seit Juni 2006 ein Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten W., L. und M. u.a. wegen des Vorwurfs, im März 2006 ein Leasingfahrzeug im Wert von rund 48.000 Euro in die Ukraine verschoben zu haben. Auf seinen Antrag erließ das Amtsgericht Freiburg am 1. Dezember 2006 Haftbefehl gegen L., der vom 23. Dezember 2006 bis zum 18. Mai 2007 vollzogen und seitdem, auf Antrag des Angeklagten, gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt wurde. Kurz nach Eintritt der Berichtspflicht stellte der Angeklagte das Verfahren am 29. Juni 2007 gegen die Beschuldigten gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, wovon weder die Beschuldigten noch die sachbearbeitende Polizei Kenntnis erhielten. In einer polizeilichen Vernehmung Ende 2008 räumte die bislang lediglich als Zeugin in das Verfahren einbezogene F. ihre Beteiligung an der Fahrzeugverschiebung ein. Im Mai 2009 erörterte der Angeklagte mit den verantwortlichen Kriminalbeamten das Ergebnis der von ihnen durchgeführten Ermittlungen, auf dessen Grundlage gegen L. und M. sowie gegen die im Verfahrensregister als Beschuldigte nachzuerfassende F. Anklage zu erheben gewesen wäre. Spätestens ab September 2009 war das Unterlassen der Anklageerhebung nach Auffassung des Landgerichts nicht mehr zu vertreten. Bezüglich der Beschuldigten M. und L. trat am 1. Dezember 2011 bzw. am 14. Mai 2012 Verfolgungsverjährung ein. Gegen die später als Beschuldigte nacherfasste F. stellte der Dezernatsnachfolger des Angeklagten das Verfahren im Mai 2013 gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein. Zumindest hinsichtlich der Beschuldigten L. und M. wäre bei rechtzeitiger Anklageerhebung mit der Verurteilung zu Freiheitsstrafen zu rechnen gewesen.

Unter dem Aktenzeichen 330 Js ermittelte der Angeklagte seit April 2008 gegen den Krankenpfleger S. wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. S. war seit Oktober 2008 geständig, einer Arbeitskollegin im Februar 2008 Medikamente ins Essen gemischt zu haben, so dass sie nach dessen Verzehr eine Woche auf der Intensivstation behandelt werden musste und mindestens ein halbes Jahr lang krankgeschrieben war. Kurz nach Eintritt der Berichtspflicht verfügte der Angeklagte am 30. April 2009 den Abschluss der Ermittlungen durch einen angeblich diktierten Strafbefehlsantrag. Spätestens ab Beginn des Jahres 2010 hätte nach Auffassung des Landgerichts Anklage erhoben werden müssen. Nach der Suspendierung verhängte das Amtsgericht Staufen gegen S. wegen gefährlicher Körperverletzung durch unangefochten gebliebenen Strafbefehl vom 10. September 2012 eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von sieben Monaten.

Ab Dezember 2008 führte der Angeklagte unter dem Aktenzeichen 330 Js ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten Sch. wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags bzw. der gefährlichen Körperverletzung. Bei seiner verantwortlichen Vernehmung am 19. Dezember 2008 räumte Sch. das objektive Tatgeschehen weitgehend ein, bestritt aber einen Tötungsvorsatz. Ende Januar 2009 regte sein Verteidiger an, das Verfahren durch Antrag auf Erlass eines Strafbefehls wegen gefährlicher Körperverletzung abzuschließen. Kurz vor Eintritt der Berichtspflicht verfügte der Angeklagte am 30. November 2009 hinsichtlich des Beschuldigten Sch. den Abschluss der Ermittlungen durch einen angeblich diktierten Strafbefehlsantrag. Spätestens ab Mai 2010 war das Unterlassen der Anklageerhebung nach Auffassung des Landgerichts nicht mehr zu vertreten. Nach der Suspendierung des Angeklagten und der Wiederaufnahme des Verfahrens verhängte das Amtsgericht Ettenheim gegen Sch. am 10. September 2012 durch unangefochten gebliebenen Strafbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von neun Monaten.

Das ab Mai 2009 gegen K. geführte Verfahren 330 Js, dem mindestens 43 betrügerische Verkaufsfälle bei "ebay" sowie eine durch Betrug erlangte Reise im Wert von rund 2.100 Euro zugrunde lagen, stellte der Angeklagte am 18. Mai 2010 kurz vor Eintritt der Berichtspflicht im Hinblick auf das ebenfalls wegen betrügerischer "ebay"-Verkäufe geführte Verfahren 330 Js ein, das seit November 2009 bei ihm anhängig war. Als dieses Anfang November 2010 berichtspflichtig wurde, stellte der Angeklagte es am selben Tag gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Weder der Beschuldigte noch die zahlreichen Anzeigenerstatter erhielten davon Kenntnis. Die mit Bezug auf dieses Verfahren eingestellten Ermittlungen im Verfahren 330 Js nahm der Angeklagte nicht wieder auf. Spätestens ab April 2011 war das Unterlassen der Anklageerhebung nach Auffassung des Landgerichts "unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt" mehr zu vertreten. Nach dessen Suspendierung nahm der Dezernatsnachfolger des Angeklagten zunächst das Verfahren 330 Js wieder auf und erhob wegen der dortigen Taten im Dezember 2012 Anklage zum Amtsgericht Staufen. Ende Mai 2013 erfolgte - nach Verbindung mit weiteren Verfahren - die Anklageerhebung im Verfahren 330 Js. Bei ihrer gemeinsamen Verhandlung verurteilte das Amtsgericht den Beschuldigten K. im April 2014 wegen Betrugs in 75 Fällen sowie versuchten Betrugs zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, von denen es drei Monate für vollstreckt erklärte.

Ab dem 5. März 2011 ermittelte der Angeklagte unter dem Aktenzeichen 330 Js gegen den Beschuldigten Schi. wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person und erwirkte am selben Tag einen Haftbefehl gegen ihn. Im Rahmen seiner richterlichen Vernehmung im Haftprüfungstermin vom 19. April 2011 gestand Schi. die Tat in vollem Umfang. Am selben Tag setzte das Amtsgericht den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug. Mit Eingang weiterer polizeilicher Ermittlungen war das Verfahren ab dem 10. Juni 2011 anklagereif. Kurz bevor es berichtspflichtig wurde, stellte der Angeklagte es am 2. März 2012 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mit einer bewusst unzutreffenden Begründung ein. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war die Sache vielmehr anklagereif. Der Beschuldigte wurde durch die Verfahrensverzögerung einerseits begünstigt, andererseits bedeutete die Verzögerung für ihn in Anbetracht des bestehenden Haftbefehls und der bestehenden Auflagen zugleich eine Belastung. Nach der Suspendierung des Angeklagten erhob der Dezernatsnachfolger des Angeklagten Anklage zum Amtsgericht Freiburg, das den Beschuldigten Schi. am 28. November 2012 wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilte.

Der Senat hat im Fall II.2. der Urteilsgründe die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in zwei tateinheitlichen Fällen beschränkt.

Die Verfahrensrüge, dass bestimmte Urkunden mangels Zustimmung des Verteidigers und des Angeklagten nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO nicht im Selbstleseverfahren nach § 249Abs. 2 Satz 1 StPO hätten eingeführt werden dürfen, ist bereits unzulässig, weil der Inhalt dieser Urkunden nicht bzw. nicht vollständig mitgeteilt wird. Dem Senat ist deshalb die Prüfung verwehrt, ob es sich - wofür schon das Revisionsvorbringen spricht - bei den beanstandeten Urkunden um Erklärungen von Polizeibeamten über das Ergebnis von Ermittlungshandlungen handelt, die nach § 256Abs. 1 Nr. 5 StPO ohne Zustimmung der Verfahrensbeteiligten verlesbar waren.

Die Revision dringt jedoch mit der Sachrüge teilweise durch.

Die Verurteilung wegen Rechtsbeugung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nur in den Fällen stand, in denen es der Angeklagte unterließ, durch eine rechtzeitige Anklageerhebung oder eine Antragstellung nach § 407 Abs. 1 StPO den Eintritt der Verfolgungsverjährung zu verhindern. Allerdings ist zu besorgen, dass das Landgericht insoweit von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist, so dass die Strafaussprüche aufzuheben waren. Soweit durch die Untätigkeit des Angeklagten ein Verfahrensabschluss lediglich verzögert wurde, wird der Schuldspruch wegen Rechtsbeugung von den Feststellungen nicht getragen.

Für die sachlich-rechtliche Beurteilung von Fällen der vorliegenden Art gilt hinsichtlich des Tatbestands der Rechtsbeugung grundsätzlich das Folgende:

Ein Staatsanwalt kann Täter einer Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB sein, wenn er wie ein Richter in einem rechtlich vollständig geregelten Verfahren zu entscheiden hat und dabei einen gewissen Grad sachlicher Unabhängigkeit genießt. Diese Voraussetzungen hat der Bundesgerichtshof sowohl für staatsanwaltschaftliche Einstellungsverfügungen als auch für Anklageerhebungen bereits bejaht. Für die Entscheidung, die Erhebung der öffentlichen Klage durch einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zu bewirken, kann nichts anderes gelten.

Als eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB kommen nur elementare Rechtsverstöße in Betracht. Dabei indizieren die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechen und die gemäß § 24 Nr. 1 DRiG, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG im Fall einer Verurteilung kraft Gesetzes eintretende Beendigung des Richter- oder Beamtenverhältnisses die Schwere des Unwerturteils. § 339 StGB erfasst deshalb nur Rechtsbrüche, bei denen sich der Richter oder Amtsträger bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an eigenen Maßstäben ausrichtet. Eine unrichtige Rechtsanwendung reicht daher für die Annahme einer Rechtsbeugung selbst dann nicht aus, wenn sich die getroffene Entscheidung als unvertretbar darstellt. Insoweit enthält das Merkmal der Beugung des Rechts ein normatives Element, dem die Funktion eines wesentlichen Regulativs zukommt. Ob ein elementarer Rechtsverstoß vorliegt, ist auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände zu entscheiden.

Eine Rechtsbeugung kann grundsätzlich auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden. In diesem Fall ist es jedoch erforderlich, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss. Daneben kann auch Bedeutung erlangen, welche Folgen der Verstoß für eine Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter oder Amtsträger bei der Entscheidung leiten ließ.

Hat der Täter Verfahrensrecht durch ein Unterlassen verletzt, wird das Tatbestandsmerkmal der Rechtsbeugung in der Regel nur dann als erfüllt angesehen werden können, wenn eine rechtlich eindeutig gebotene Handlung unterblieben ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Richter oder Staatsanwalt bewusst gegen eine Vorschrift verstoßen hat, die ein bestimmtes Handeln unabweislich zur Pflicht macht oder wenn er untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln zwingend gebieten.

Danach ist unter den hier gegebenen Umständen ein die Verurteilung wegen Rechtsbeugung tragender elementarer Rechtsverstoß nur in den Fällen belegt, in denen es der Angeklagte bewusst unterließ, den Eintritt der Verfolgungsverjährung durch die Erhebung der öffentlichen Klage zu verhindern.

Die bewusste Nichterhebung der öffentlichen Klage in einem anklagereifen Ermittlungsverfahren mit der Folge, dass es im Falle des Unterlassens zum Eintritt der Verfolgungsverjährung kommt, ist für sich genommen grundsätzlich eine schwerwiegende Verletzung des Verfahrensrechts und verstößt gegen ein eindeutiges gesetzliches Handlungsgebot.

Nach § 170 Abs. 1 StPO hat ein Staatsanwalt Anklage zu erheben, wenn die Ermittlungen genügenden Anlass dazu bieten. Ein Ermessen steht ihm insoweit nicht zu. Die Vorschrift ist - ebenso wie § 152 Abs. 2 und § 160 StPO - eine Ausprägung des Legalitätsgrundsatzes, der zu den wesentlichen Grundprinzipien des Strafverfahrensrechts zählt. Der Grundsatz der Legalität und der in § 170 Abs. 1 StPO festgeschriebene Anklagezwang gewinnen ihre Konturen aus ihrer überragenden Bedeutung für die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Gleichheit vor dem Gesetz sowie der Pflicht des Staates, die Sicherheit der Bürger und deren Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen. Auf die zu ihrer Verwirklichung gerichtete Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs darf weder nach Belieben noch aus vermeidbaren Gründen generell oder im Einzelfall verzichtet werden. Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn sichergestellt ist, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden. Andernfalls droht die Legitimität staatlichen Strafens Schaden zu nehmen.

Zwar kann § 170 Abs. 1 StPO in zeitlicher Hinsicht keine eindeutige Handlungsvorgabe entnommen werden. Die Vorschrift verpflichtet aber den Staatsanwalt jedenfalls dann unabweisbar zu einer Anklageerhebung, wenn es andernfalls zum Eintritt der Verfolgungsverjährung käme und der staatliche Strafanspruch deshalb nicht mehr durchsetzbar wäre. Diesem mit dem Herannahen des Verjährungszeitpunkts, der nach dem Gesetz eindeutig zu bestimmen ist, zwingend gewordenen Handlungsgebot ist der Angeklagte bewusst nicht nachgekommen.

Ob allein oder gegebenenfalls unter welchen weiter gehenden Voraussetzungen im Einzelfall die bewusste Nichterhebung einer öffentlichen Klage in Ansehung der konkreten Gefahr der endgültigen Verfahrensbeendigung eines anklagereifen Strafverfahrens durch den Eintritt der Verfolgungsverjährung die strengen Anforderungen an das Vorliegen eines elementaren Rechtsverstoßes im Sinne des § 339 StGB erfüllt, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn vorliegend treten jedenfalls noch weitere Gesichtspunkte hinzu, die bei der gebotenen Gesamtbetrachtung den Verfahrensverstoß des Angeklagten letztlich als eine Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB kennzeichnen.

So zeigt sich die Schwere des Rechtsverstoßes auch darin, dass der Angeklagte durch sein Verhalten - wie vom Landgericht zu Recht angenommen - zugleich auch eine Strafvereitelung im Amt gemäß § 258a StGB beging. Dabei kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass der Tatbestand der Strafvereitelung im Amt ebenfalls der Durchsetzung des Legalitätsprinzips dient.

Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung war auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte die Verfahren zuvor durch Scheinverfügungen der Dienstaufsicht seines Behördenleiters sowie des Generalstaatsanwalts in Karlsruhe entzogen hatte. Zwar kann hierin kein eigenständiger Rechtsverstoß im Sinne einer Beugung des Rechts gesehen werden. Auch wollte der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen durch dieses Vorgehen den Eintritt der Verjährung nicht begünstigen oder gar ermöglichen. Er beabsichtigte vielmehr unverändert, die Verfahren - wenn auch erst zu einem späteren Zeitpunkt - ihrem sachgerechten Abschluss durch Anklageerhebung oder Strafbefehlsantrag zuzuführen. Er übertrug sich aber mit diesem Vorgehen doch faktisch die alleinige Verantwortung für ihren weiteren Fort- und Ausgang. Die Möglichkeiten der ihm übergeordneten Justizverwaltung, die ihr obliegende Pflicht, die Einhaltung angemessener Zeiträume bei der Bearbeitung von Strafverfahren zu sichern und nicht nur vermeidbaren Verzögerungen, sondern erst Recht einer drohenden Verjährung von Straftaten - gegebenenfalls durch Übertragung der Verfahren auf andere Dezernenten - entgegenzuwirken, beeinträchtigte der Angeklagte mit seinem Vorgehen nachhaltig. Den Verpflichtungen des Legalitätsprinzips konnte nach den Austragungen der Verfahren aus dem Register faktisch nur noch der Angeklagte selbst gerecht werden, was ihm durchgehend bewusst war. Die Einhaltung bestimmter Erledigungsfristen richtete der Angeklagte durch die Herausnahme der Verfahren aus der behördlichen Kontrolle nicht mehr an seinen Dienstvorgaben aus, deren Missachtung zwar als selbständiger Anknüpfungspunkt für die Rechtsbeugung nicht herangezogen werden kann, die aber - wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist - ein Beleg dafür ist, dass der Angeklagte die Sachbehandlung ausschließlich an eigenen Maßstäben ausrichtete.

Schließlich war der Angeklagte auch nicht nur kurzfristig mit den Verfahren befasst. Der Zeitraum zwischen Anklagereife und dem Eintritt der Verjährung umfasste im Fall II.2. immerhin einen Zeitraum von zwei bzw. drei, im Fall II.1. sogar von rund vier Jahren.

In den Fällen, in denen ein Verfahrensabschluss lediglich verzögert wurde, hat das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen einen elementaren Rechtsverstoß im Sinne des § 339 StGB nicht aufzuzeigen vermocht. Die fallbezogene Benennung von Zeitpunkten, zu denen die Untätigkeit des Angeklagten "im Hinblick auf das [...] in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen unter keinem rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten" war, reicht dafür nicht aus. Die Strafkammer ist vielmehr in diesen Fällen bei der Prüfung, ob ein elementarer Verfahrensverstoß vorliegt, von einem rechtsfehlerhaften, weil zu weiten Maßstab ausgegangen.

Zwar gehört zu den Normen des Verfahrensrechts, durch deren Verletzung Rechtsbeugung begangen werden kann, auch das aus dem Rechtsstaatsprinzip und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen. Bei der Entscheidung der Frage, ob in der verzögerten Bearbeitung einer Rechtssache ein Rechtsbruch im Sinne des § 339StGB liegt, ist aber davon auszugehen, dass es grundsätzlich dem Richter oder Staatsanwalt überlassen bleibt, welchen der von ihm zu erledigenden vielfältigen Dienstgeschäften er den Vorrang vor anderen einräumt. Im Sinne des § 339 StGB strafrechtlich relevante Verstöße gegen den Beschleunigungsgrundsatz werden deshalb nur dann in Betracht kommen, wenn gegen zwingende Vorschriften verstoßen wird, in denen der Gesetzgeber das Beschleunigungsgebot konkretisiert hat, wenn der Richter oder Staatsanwalt untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln zwingend gebieten, oder wenn die zögerliche Bearbeitung auf sachfremden Erwägungen zum Vorteil oder Nachteil einer Partei beruht. Allein eine verzögerte, den Maßstäben des Art. 6 EMRK widersprechende Sachbehandlung durch den Staatsanwalt oder Richter wird daher regelmäßig nicht die strengen Anforderungen an einen elementaren Rechtsverstoß im Sinne des § 339 StGB erfüllen.

So ist zwar in dem Zeitraum zwischen Anklagereife und dem Eintritt der Verjährung die in § 170 Abs. 1 StPO normierte Pflicht des Staatsanwalts, die öffentliche Klage zu erheben, im Lichte des Beschleunigungsgrundsatzes zu betrachten, der in jedem Abschnitt des Verfahrens gilt. Die Staatsanwaltschaft ist gehalten, in anklagereifen Fällen auch alsbald anzuklagen. Indes kann weder aus § 170 Abs. 1 StPO noch allein aus dem Beschleunigungsgebot ohne weiteres ein konkreter Zeitpunkt abgeleitet werden, zu dem eine Anklageerhebung zwingend geboten ist. Soweit in Art. 6 Abs. 1 MRK davon die Rede ist, dass jede Person eine Verhandlung innerhalb "angemessener Frist" verlangen kann, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff mit nur geringer Aussagekraft. Soweit die Strafkammer in diesem Zusammenhang darauf abgehoben hat, dass zu den von ihr für jeden Fall bestimmten Zeitpunkten eine weitere Untätigkeit "unter keinem rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten" war, hat sie daher verkannt, dass die bloße Unvertretbarkeit einer richterlichen oder staatsanwaltlichen Sachbehandlung für sich genommen noch nicht in eine Rechtsbeugung führt.

Danach können der Schuldspruch wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt im Fall II. 1. der Urteilsgründe und der nach der Verfolgungsbeschränkung verbleibende Schuldspruch wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in zwei tateinheitlichen Fällen im Fall II. 2. der Urteilsgründe bestehen bleiben. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer bei der Prüfung und Versagung der Strafrahmenmilderung nach § 13 Abs. 2 StGB in beiden Fällen von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist, weil sie dem Angeklagten seine Untätigkeit bereits ab dem Zeitpunkt angelastet hat, in dem dies aus ihrer Sicht "unter keinem rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten" war. Zudem verstößt nach der dargelegten Rechtsauffassung des Senats die strafschärfende Berücksichtigung des Eintritts der Verjährung gegen § 46 Abs. 3 StGB, was sich auch bei der Strafrahmenwahl zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben kann. Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafen. Im Fall II.2. der Urteilsgründe kommt hinzu, dass das Landgericht straferschwerend berücksichtigt hat, dass sich die Tat zugunsten von drei Beschuldigten auswirkte.

In den Fällen II. 3. bis II. 6. der Urteilsgründe bedarf die Sache insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer noch Feststellungen, insbesondere zu den Beweggründen der Untätigkeit des Angeklagten, zu treffen vermag, die auch in diesen Fällen die Annahme einer Rechtsbeugung etwa auf der Grundlage sachfremder Erwägungen rechtfertigen könnten. Dabei wird insbesondere zu erwägen sein, ob der Angeklagte von einer Anklageerhebung absah, um seine vorhergehenden Verfahrensmanipulationen nicht aufdecken zu müssen. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können bestehen bleiben.

Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Landgericht Karlsruhe.

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 274/16
vom
14. September 2017
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
BGHR: ja
––––––––––––––––––––––––––
Zu den Voraussetzungen der Rechtsbeugung durch einen Staatsanwalt bei
bewusstem Nichtbetreiben von anklagereifen Ermittlungsverfahren.
BGH, Beschluss vom 14. September 2017 - 4 StR 274/16 - LG Freiburg
in der Strafsache
gegen
wegen Rechtsbeugung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:140917B4STR274.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 154a Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 25. Februar 2016 wird
a) die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO im Fall II.2. der Urteilsgründe mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in zwei tateinheitlichen Fällen (Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten L. und M. ) beschränkt;
b) das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, aa) soweit der Angeklagte in den Fällen II.3. bis 6. der Urteilsgründe verurteilt ist; jedoch bleiben insoweit die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten ; bb) in den Fällen II.1. und 2. der Urteilsgründe im Strafausspruch ; cc) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe verwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in sechs Fällen, davon in einem Fall (Fall II.2. der Urteilsgründe) in drei tateinheitlichen Fällen, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner auf die Sach- und eine Verfahrensrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Der Angeklagte ist – seit Juli 2012 vom Dienst suspendierter – Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Freiburg. Seiner Verurteilung liegen Ermittlungsverfahren zugrunde, in denen er es trotz von ihm jeweils zutreffend beurteilter Verurteilungswahrscheinlichkeit und bestehender Anklagereife unterließ, gegen die Beschuldigten der betroffenen Verfahren die öffentliche Klage – gegebenenfalls durch Beantragung eines Strafbefehls (vgl. § 407 Abs. 1 Satz 4 StPO) – zu erheben. In sämtlichen Fällen wusste der Angeklagte darum, dass die Beschuldigten bei Erhebung der öffentlichen Klage der von ihnen verwirkten Strafe zugeführt werden würden. Im Fall II.2. unterließ er es zudem, das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf eine polizeilich zunächst als Zeugin und später als Tatverdächtige vernommene Beschuldigte zu erstrecken, die ihre Tatbeteiligung eingeräumt hatte.
3
Das Unterlassen der Erhebung der öffentlichen Klage durch den Angeklagten führte in den Fällen II.1. und 2., im letztgenannten Fall gegenüber zwei Beschuldigten, zum Eintritt der Strafverfolgungsverjährung. In den Fällen II.3. bis 6. schloss der Dezernatsnachfolger des Angeklagten die Ermittlungen nach dessen Suspendierung ab. Die Amtsgerichte Staufen, Ettenheim und Freiburg verhängten in diesen Fällen sodann gegen die Beschuldigten – in den Fällen II.3. und 4. durch Strafbefehl – jeweils zur Bewährung ausgesetzte Freiheits- strafen. Im Fall II.3. berücksichtigte das Amtsgericht Staufen die „ungewöhnlich lange […] Verfahrensverzögerung“, im Fall II.6. das Amtsgericht Freiburg den Umstand, „dass der Beschuldigte durch die lange Verfahrensdauer […] erheblich beeinträchtigt“ wurde, als strafmildernde Umstände. Im Fall II.5. erklärte das Amtsgericht Staufen drei Monate der gegen den Beschuldigten verhängten Ge- samtfreiheitsstrafe wegen einer „überlangen Verfahrensdauer“ für vollstreckt. Gegen die nach der Suspendierung des Angeklagten im Fall II.2. nacherfasste Beschuldigte stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren „aufgrund der lange zurückliegenden Tatzeit, des Geständnisses und der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung“ gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein.
4
Im Einzelnen hat das Landgericht folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
Die Erlasslage des baden-württembergischen Justizministeriums verpflichtete die Staatsanwälte, dem zuständigen Generalstaatsanwalt über alle Ermittlungsverfahren zu berichten, die länger als ein Jahr unerledigt in ihrem Dezernat anhängig waren. Anfang 2011 verfügte der Leitende Oberstaatsanwalt in Freiburg, dass ihm die Rückstandsberichte vorzulegen waren. Um seiner Berichtspflicht in den überjährigen Verfahren nicht nachkommen zu müssen, verfügte der Angeklagte in den den verfahrensgegenständlichen Fällen zugrunde liegenden Akten den Abschluss der Ermittlungen durch angeblich diktierte Anklagen oder Strafbefehlsanträge oder stellte die Verfahren entgegen der von ihm zutreffend gewürdigten Sach- und Rechtslage ein, ohne die Beschuldigten hiervon zu benachrichtigen oder Anzeigenerstatter zu bescheiden. Den sachbearbeitenden Polizeistellen teilte er die Einstellungen ebenfalls nicht mit. Mit den Scheinverfügungen veranlasste der Angeklagte seine Geschäftsstelle, die Ermittlungsverfahren aus dem Register als erledigt auszutragen und damit der Dienstaufsicht des Generalstaatsanwalts und seines eigenen Behördenleiters zu entziehen. Anschließend nahm er die Akten mit dem Vorhaben wieder an sich, die Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt dem von ihm zutreffend als allein sachgerecht erkannten Abschluss durch Erhebung der öffentlichen Klage zuzuführen. Ohne dieses Vorhaben aufzugeben, bewahrte der Angeklagte die Akten bis zum 27. Juni 2012 in seinem Dienstzimmer und schließlich bis zur Entdeckung seines Vorgehens am 29. Juni 2012 kurzzeitig im Keller seiner Mutter auf. In der gesamten Zeit nach den Scheinverfügungen verlor er die Verfahren nicht aus dem Blick. In den Fällen II.1. und 2. wusste der Angeklagte durchgehend darum, wann im Hinblick auf die Tat des jeweiligen Beschuldigten Verjährung eintreten würde. Ebenso war sich der Angeklagte bewusst, dass die Akten seit seinen Scheinverfügungen keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlagen. Seine anfangs hohe Arbeitsbelastung stand einer Erhebung der öffentlichen Klage jedenfalls ab Anfang 2009 nicht entgegen.
6
Zu den einzelnen Fällen hat das Landgericht folgende weitere Feststellungen getroffen:
7
1. Das seit August 2005 gegen die Beschuldigte Ma. geführte Verfahren 330 Js , dem 13 sicher nachzuweisende betrügerische Warenbestellungen zugrunde lagen, stellte der Angeklagte im Juli 2006 gemäß § 154 Abs. 1 StPO ein. Das für die Einstellung herangezogene Bezugsverfahren 330 Js , das zu einer Verurteilung wegen Betrugs in mindestens 32 Fällen geführt hätte, war seit dem 6. Dezember 2006 anklagereif. Zum 15. September 2007 wurde es berichtspflichtig. Am 30. Oktober 2007 verfügte der Angeklagte dessen Abschluss durch eine angeblich diktierte Anklage. Spätestens ab Beginn des Jahres 2009 war das Unterlassen der Anklageerhebung nach Auffas- sung des Landgerichts „unter keinem rechtlichen oder tatsächlichenGesichtspunkt mehr zu vertreten“. Im Laufe des Jahres 2011 trat Strafverfolgungsverjäh- rung ein. Eine rechtzeitige Anklageerhebung hätte zur Verurteilung der Beschuldigten geführt.
8
2. Der Angeklagte führte unter dem Aktenzeichen 330 Js seit Juni 2006 ein Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten W. , L. und M. u.a. wegen des Vorwurfs, im März 2006 ein Leasingfahrzeug im Wert von rund 48.000 Euro in die Ukraine verschoben zu haben. Auf seinen Antrag erließ das Amtsgericht Freiburg am 1. Dezember 2006 Haftbefehl gegen L. , der vom 23. Dezember 2006 bis zum 18. Mai 2007 vollzogen und seitdem , auf Antrag des Angeklagten, gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt wurde. Kurz nach Eintritt der Berichtspflicht stellte der Angeklagte das Verfahren am 29. Juni 2007 gegen die Beschuldigten gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, wovon weder die Beschuldigten noch die sachbearbeitende Polizei Kenntnis erhielten. In einer polizeilichen Vernehmung Ende 2008 räumte die bislang ledig- lich als Zeugin in das Verfahren einbezogene F. ihre Beteiligung an der Fahrzeugverschiebung ein. Im Mai 2009 erörterte der Angeklagte mit den verantwortlichen Kriminalbeamten das Ergebnis der von ihnen durchgeführten Ermittlungen, auf dessen Grundlage gegen L. und M. sowie gegen die im Verfahrensregister als Beschuldigte nachzuerfassende F. Anklage zu erheben gewesen wäre. Spätestens ab September 2009 war das Unterlassen der Anklageerhebung nach Auffassung des Landgerichts nicht mehr zu vertreten. Bezüglich der Beschuldigten M. und L. trat am 1. Dezember 2011 bzw. am 14. Mai 2012 Verfolgungsverjährung ein. Gegen die später als Beschuldigte nacherfasste F. stellte der Dezernatsnachfolger des Angeklagten das Verfahren im Mai 2013 gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein. Zumindest hinsichtlich der Beschuldigten L. und M. wäre bei rechtzeitiger Anklageerhebung mit der Verurteilung zu Freiheitsstrafen zu rechnen gewesen.
9
3. Unter dem Aktenzeichen 330 Js ermittelte der Angeklagte seit April 2008 gegen den Krankenpfleger S. wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. S. war seit Oktober 2008 geständig, einer Arbeitskollegin im Februar 2008 Medikamente ins Essen gemischt zu haben, so dass sie nach dessen Verzehr eine Woche auf der Intensivstation behandelt werden musste und mindestens ein halbes Jahr lang krankgeschrieben war. Kurz nach Eintritt der Berichtspflicht verfügte der Angeklagte am 30. April 2009 den Abschluss der Ermittlungen durch einen angeblich diktierten Strafbefehlsantrag. Spätestens ab Beginn des Jahres 2010 hätte nach Auffassung des Landgerichts Anklage erhoben werden müssen. Nach der Suspendierung verhängte das Amtsgericht Staufen gegen S. wegen gefährlicher Körperverletzung durch unangefochten gebliebenen Strafbefehl vom 10. September 2012 eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von sieben Monaten.
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4. Ab Dezember 2008 führte der Angeklagte unter dem Aktenzeichen 330 Js ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten Sch. wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags bzw. der gefährlichen Körperverletzung. Bei seiner verantwortlichen Vernehmung am 19. Dezember 2008 räumte Sch. das objektive Tatgeschehen weitgehend ein, bestritt aber einen Tötungsvorsatz. Ende Januar 2009 regte sein Verteidiger an, das Verfahren durch Antrag auf Erlass eines Strafbefehls wegen gefährlicher Körperverletzung abzuschließen. Kurz vor Eintritt der Berichtspflicht verfügte der Angeklagte am 30. November 2009 hinsichtlich des Beschuldigten Sch. den Abschluss der Ermittlungen durch einen angeblich diktierten Strafbefehlsantrag. Spätestens ab Mai 2010 war das Unterlassen der Anklageerhebung nach Auffassung des Landgerichts nicht mehr zu vertreten. Nach der Suspendierung des Angeklagten und der Wiederaufnahme des Verfahrens verhängte das Amtsgericht Ettenheim gegen Sch. am 10. September 2012 durch unangefochten gebliebenen Strafbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von neun Monaten.
11
5. Das ab Mai 2009 gegen K. geführte Verfahren 330 Js , dem mindestens 43 betrügerische Verkaufsfälle bei „ebay“ sowie eine durch Betrug erlangte Reise im Wert von rund 2.100 Euro zugrunde lagen, stellte der Angeklagte am 18. Mai 2010 kurz vor Eintritt der Berichtspflicht im Hinblick auf das ebenfalls wegen betrügerischer „ebay“-Verkäufegeführte Verfahren 330 Js ein, das seit November 2009 bei ihm anhängig war. Als dieses Anfang November 2010 berichtspflichtig wurde, stellte der Angeklagte es am selben Tag gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Weder der Beschuldigte noch die zahlreichen Anzeigenerstatter erhielten davon Kenntnis. Die mit Bezug auf dieses Verfahren eingestellten Ermittlungen im Verfahren 330 Js nahm der Angeklagte nicht wieder auf. Spätestens ab April 2011 war das Unter- lassen der Anklageerhebung nach Auffassung des Landgerichts „unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt“ mehr zu vertreten. Nach dessen Suspendierung nahm der Dezernatsnachfolger des Angeklagten zunächst das Verfahren 330 Js wieder auf und erhob wegen der dortigen Taten im Dezember 2012 Anklage zum Amtsgericht Staufen. Ende Mai 2013 erfolgte – nach Verbindung mit weiteren Verfahren – die Anklageerhebung im Verfahren 330 Js . Bei ihrer gemeinsamen Verhandlung verurteilte das Amtsgericht den Beschuldigten K. im April 2014 wegen Betrugs in 75 Fällen sowie versuchten Betrugs zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, von denen es drei Monate für vollstreckt erklärte.
12
6. Ab dem 5. März 2011 ermittelte der Angeklagte unter dem Aktenzeichen 330 Js gegen den Beschuldigten Schi. wegen des Verdachts des (schweren) sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person und erwirkte am selben Tag einen Haftbefehl gegen ihn. Im Rahmen seiner richterlichen Vernehmung im Haftprüfungstermin vom 19. April 2011 gestand Schi. die Tat in vollem Umfang. Am selben Tag setzte das Amtsgericht den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug. Mit Eingang weiterer polizeilicher Ermittlungen war das Verfahren ab dem 10. Juni 2011 anklagereif. Kurz bevor es berichtspflichtig wurde, stellte der Angeklagte es am 2. März 2012 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mit einer bewusst unzutreffenden Begründung ein. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war die Sache vielmehr anklagereif. Der Beschuldigte wurde durch die Verfahrensverzögerung einerseits begünstigt, andererseits bedeutete die Verzögerung für ihn in Anbetracht des bestehenden Haftbefehls und der bestehenden Auflagen zugleich eine Belastung. Nach der Suspendierung des Angeklagten erhob der Dezernatsnachfolger des Angeklagten Anklage zum Amtsgericht Freiburg, das den Beschuldigten Schi. am 28. November 2012 wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilte.

II.


13
Der Senat hat im Fall II.2. der Urteilsgründe die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in zwei tateinheitlichen Fällen (unterbliebene Anklageerhebung im Verfahren 330 Js gegen die Beschuldigten L. und M. ) beschränkt.

III.


14
1. Die Verfahrensrüge, dass bestimmte Urkunden mangels Zustimmung des Verteidigers und des Angeklagten nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO nicht im Selbstleseverfahren nach § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO hätten eingeführt werden dürfen, ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der Inhalt dieser Urkunden nicht bzw. nicht vollständig mitgeteilt wird. Dem Senat ist deshalb die Prüfung verwehrt, ob es sich – wofür schon das Revisionsvorbringen spricht – bei den beanstandeten Urkunden um Erklärungen von Polizeibeamten über das Ergebnis von Ermittlungshandlungen handelt, die nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO ohne Zustimmung der Verfahrensbeteiligten verlesbar waren.
15
2. Die Revision dringt jedoch mit der Sachrüge teilweise durch.
16
Die Verurteilung wegen Rechtsbeugung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nur in den Fällen stand, in denen es der Angeklagte unterließ, durch eine rechtzeitige Anklageerhebung oder eine Antragstellung nach § 407 Abs. 1 StPO den Eintritt der Verfolgungsverjährung zu verhindern (betr. die Fälle II. 1. und - nach Verfahrensbeschränkung - II. 2. der Urteilsgründe). Allerdings ist zu besorgen, dass das Landgericht insoweit von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist, so dass die Strafaussprüche aufzuheben waren. Soweit durch die Untätigkeit des Angeklagten ein Verfahrensabschluss lediglich verzögert wurde, wird der Schuldspruch wegen Rechtsbeugung von den Feststellungen nicht getragen (Fälle II. 3. bis II. 6. der Urteilsgründe).
17
a) Für die sachlich-rechtliche Beurteilung von Fällen der vorliegenden Art gilt hinsichtlich des Tatbestands der Rechtsbeugung grundsätzlich das Folgende :
18
aa) Ein Staatsanwalt kann Täter einer Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB sein, wenn er wie ein Richter in einem rechtlich vollständig geregelten Verfahren zu entscheiden hat und dabei einen gewissen Grad sachlicher Unabhängigkeit genießt. Diese Voraussetzungen hat der Bundesgerichtshof sowohl für staatsanwaltschaftliche Einstellungsverfügungen als auch für Anklageerhebungen bereits bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1995 – 5 StR 713/94, BGHSt 41,247, 249; Uebele in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 339 Rn. 12; Hilgendorf in LK-StGB, 12. Aufl., § 339 Rn. 20, 36 mwN). Für die Entscheidung , die Erhebung der öffentlichen Klage durch einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zu bewirken (§ 407 Abs. 1 Satz 4 StPO), kann nichts anderes gelten.
19
bb) Als eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB kommen nur elementare Rechtsverstöße in Betracht. Dabei indizieren die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechen und die gemäß § 24 Nr. 1 DRiG, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG im Fall einer Verurteilung kraft Gesetzes eintretende Beendigung des Richter- oder Beamtenverhältnisses die Schwere des Unwerturteils (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2015 – 3 StR 498/14, NStZ 2015, 651, 652; Urteil vom 18. Juli 2013 – 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656; Urteil vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310; Urteil vom 29. Oktober 1992 – 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383). § 339 StGB erfasst deshalb nur Rechts- brüche, bei denen sich der Richter oder Amtsträger bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an eigenen Maßstäben ausrichtet (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 9. Mai 1994 – 5 StR 354/93, BGHSt 40, 169, 178; vom 6. Oktober 1994 – 4 StR 23/94, BGHSt 40, 272, 283; vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, 345; vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 109; vom 13. Mai 2015 – 3 StR 498/14, NStZ 2015, 651, 652; Beschluss vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09, StV 2011, 463, 466). Eine unrichtige Rechtsanwendung reicht daher für die Annahme einer Rechtsbeugung selbst dann nicht aus, wenn sich die getroffene Entscheidung als unvertretbar darstellt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 109; Urteil vom 15. September 1995 – 5StR 713/94, BGHSt 41, 247, 251). Insoweit enthält das Merkmal der Beugung des Rechts ein normatives Element, dem die Funktion eines wesentlichen Regulativs zukommt. Ob ein elementarer Rechtsverstoß vorliegt, ist auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2015 – 3 StR 498/14, NStZ 2015, 651, 652; Urteil vom 23. Mai 1984 – 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, 364).
20
cc) Eine Rechtsbeugung kann grundsätzlich auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 1987 – 3 StR 112/87, NStZ 1988, 218; Urteil vom 29. Oktober 1992 – 4 StR353/92, BGHSt 38, 381, 383; Urteil vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, 344 f.; Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 109; Beschluss vom 24. Juni 2009 – 1 StR 201/09, NStZ 2010, 92; Beschluss vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09, StV 2011, 463, 466). In diesem Fall ist es jedoch erforderlich, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 2013 – 5 StR 261/12, NStZ 2013, 648, 651 mwN). Daneben kann auch Bedeutung erlangen, welche Folgen der Verstoß für eine Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter oder Amtsträger bei der Entscheidung leiten ließ (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/99, BGHSt 42, 343, 351; vom 20. September 2000 – 2 StR 276/00, NStZ-RR 2001, 243, 244; vom 18. Juli 2013 – 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656; vom 13. Mai 2015 – 3 StR 498/14, NStZ 2015, 651, 652).
21
dd) Hat der Täter Verfahrensrecht durch ein Unterlassen (§ 13 Abs. 1 StGB) verletzt (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 1996 – 5 StR 472/96, NJW 1997, 1455; vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105; Hilgendorf, aaO, § 339 Rn. 39 und 70; zur Abgrenzung von aktivem Tun und Unterlassen bei durch Manipulationen bewirktem „verschleppten“ Abschluss einer Anklage vgl. BGH, Urteil vom 6. November 2007 – 1 StR 394/07, Rn. 44), wird das Tat- bestandsmerkmal der Rechtsbeugung in der Regel nur dann als erfüllt angesehen werden können, wenn eine rechtlich eindeutig gebotene Handlung unterblieben ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Richter oder Staatsanwalt bewusst gegen eine Vorschrift verstoßen hat, die ein bestimmtes Handeln unabweislich zur Pflicht macht oder wenn er untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln zwingend gebieten (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 2013 – 5 StR 261/12, NStZ 2013, 648, 654; Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 111).
22
b) Danach ist unter den hier gegebenen Umständen ein die Verurteilung wegen Rechtsbeugung tragender elementarer Rechtsverstoß nur in den Fällen belegt, in denen es der Angeklagte bewusst unterließ, den Eintritt der Verfolgungsverjährung durch die Erhebung der öffentlichen Klage zu verhindern (Fall II.1. sowie Fall II.2. der Urteilsgründe, dort bezüglich der Beschuldigten L. und M. ).
23
aa) Die bewusste Nichterhebung der öffentlichen Klage in einem anklagereifen Ermittlungsverfahren mit der Folge, dass es im Falle des Unterlassens zum Eintritt der Verfolgungsverjährung kommt, ist für sich genommen grundsätzlich eine schwerwiegende Verletzung des Verfahrensrechts und verstößt gegen ein eindeutiges gesetzliches Handlungsgebot.
24
Nach § 170 Abs. 1 StPO hat ein Staatsanwalt Anklage zu erheben, wenn die Ermittlungen genügenden Anlass dazu bieten. Ein Ermessen steht ihm insoweit nicht zu. Die Vorschrift ist – ebenso wie § 152 Abs. 2 und § 160 StPO – eine Ausprägung des Legalitätsgrundsatzes, der zu den wesentlichen Grundprinzipien des Strafverfahrensrechts zählt (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1960 – 3 StR 28/60, BGHSt 15, 155, 159; Urteil vom 21. April 1988 – III ZR 255/86, NJW 1989, 96, 97; Urteil vom 18. Juni 1970 - III ZR 95/68, NJW 1970, 1543, 1544; Kölbel in MüKo-StPO, § 160 Rn. 29 ff.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1982 – 2 BvR 8/82, NStZ 1982, 430 [zu § 152 Abs. 2 StPO]). Der Grundsatz der Legalität und der in § 170 Abs. 1 StPO festgeschriebene Anklagezwang gewinnen ihre Konturen aus ihrer überragenden Bedeutung für die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie der Pflicht des Staates, die Sicherheit der Bürger (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und deren Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen. Auf die zu ihrer Verwirklichung gerichtete Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs darf weder nach Belieben noch aus vermeidbaren Gründen generell oder im Einzelfall verzichtet werden. Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen , wenn sichergestellt ist, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40, 53 mwN). Andernfalls droht die Legitimität staatlichen Strafens Schaden zu nehmen.
25
Zwar kann § 170 Abs. 1 StPO in zeitlicher Hinsicht keine eindeutige Handlungsvorgabe entnommen werden. Die Vorschrift verpflichtet aber den Staatsanwalt jedenfalls dann unabweisbar zu einer Anklageerhebung, wenn es andernfalls zum Eintritt der Verfolgungsverjährung käme und der staatliche Strafanspruch deshalb nicht mehr durchsetzbar wäre. Diesem mit dem Herannahen des Verjährungszeitpunkts, der nach dem Gesetz eindeutig zu bestimmen ist, zwingend gewordenen Handlungsgebot ist der Angeklagte bewusst nicht nachgekommen.
26
bb) Ob allein oder gegebenenfalls unter welchen weiter gehenden Voraussetzungen im Einzelfall die bewusste Nichterhebung einer öffentlichen Klage in Ansehung der konkreten Gefahr der endgültigen Verfahrensbeendigung eines anklagereifen Strafverfahrens durch den Eintritt der Verfolgungsverjährung die strengen Anforderungen an das Vorliegen eines elementaren Rechtsverstoßes im Sinne des § 339 StGB erfüllt, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn vorliegend treten jedenfalls noch weitere Gesichtspunkte hinzu, die bei der gebotenen Gesamtbetrachtung den Verfahrensverstoß des Angeklagten letztlich als eine Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB kennzeichnen.
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(1) So zeigt sich die Schwere des Rechtsverstoßes auch darin, dass der Angeklagte durch sein Verhalten – wie vom Landgericht zu Recht angenommen – zugleich auch eine Strafvereitelung im Amtgemäß § 258a StGB beging (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2015 – 3 StR 498/14, NStZ 2015, 651, 652; Urteil vom 18. Juli 2013 – 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 657 [zu § 267 Abs. 3 StGB]). Dabei kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass der Tatbestand der Strafvereitelung im Amt ebenfalls der Durchsetzung des Legalitätsprinzips dient (vgl. Beulke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 152 Rn. 37; Diemer in KKStPO , 7. Aufl., § 152 Rn. 1).
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(2) Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung war auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte die Verfahren zuvor durch Scheinverfügungen der Dienstaufsicht seines Behördenleiters sowie des Generalstaatsanwalts in Karlsruhe entzogen hatte. Zwar kann hierin kein eigenständiger Rechtsverstoß im Sinne einer Beugung des Rechts gesehen werden. Auch wollte der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen durch dieses Vorgehen den Eintritt der Verjährung nicht begünstigen oder gar ermöglichen (…). Er beabsichtigte vielmehr unver- ändert, die Verfahren – wenn auch erst zu einem späteren Zeitpunkt – ihrem sachgerechten Abschluss durch Anklageerhebung oder Strafbefehlsantrag zuzuführen. Er übertrug sich aber mit diesem Vorgehen doch faktisch die alleinige Verantwortung für ihren weiteren Fort- und Ausgang. Die Möglichkeiten der ihm übergeordneten Justizverwaltung, die ihr obliegende Pflicht, die Einhaltung angemessener Zeiträume bei der Bearbeitung von Strafverfahren zu sichern und nicht nur vermeidbaren (rechtsstaatswidrigen) Verzögerungen, sondern erst Recht einer drohenden Verjährung von Straftaten – gegebenenfalls durch Übertragung der Verfahren auf andere Dezernenten – entgegenzuwirken, beeinträchtigte der Angeklagte mit seinem Vorgehen nachhaltig. Den Verpflichtungen des Legalitätsprinzips konnte nach den Austragungen der Verfahren aus dem Register faktisch nur noch der Angeklagte selbst gerecht werden, was ihm durchgehend bewusst war. Die Einhaltung bestimmter Erledigungsfristen richtete der Angeklagte durch die Herausnahme der Verfahren aus der behördlichen Kontrolle nicht mehr an seinen Dienstvorgaben aus, deren Missachtung zwar als selbständiger Anknüpfungspunkt für die Rechtsbeugung nicht herangezogen werden kann, die aber – wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist – ein Beleg dafür ist, dass der Angeklagte die Sachbehandlung ausschließlich an eigenen Maßstäben ausrichtete (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2015 – 3 StR 498/14, NStZ 2015, 651, 652).
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(3) Schließlich war der Angeklagte auch nicht nur kurzfristig mit den Verfahren befasst. Der Zeitraum zwischen Anklagereife und dem Eintritt der Verjährung umfasste im Fall II.2. immerhin einen Zeitraum von zwei bzw. drei, im Fall II.1. sogar von rund vier Jahren.
30
c) In den Fällen, in denen ein Verfahrensabschluss lediglich verzögert wurde, hat das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen einen elementaren Rechtsverstoß im Sinne des § 339 StGB nicht aufzuzeigen vermocht. Die fallbezogene Benennung von Zeitpunkten, zu denen die Untätig- keit des Angeklagten „im Hinblick auf das […] in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen unter keinem rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten“ war, reicht dafür nicht aus. Die Strafkammer ist vielmehr in diesen Fällen bei der Prüfung, ob ein elementarer Verfahrensverstoß vorliegt, von einem rechtsfehlerhaften, weil zu weiten Maßstab ausgegangen.
31
Zwar gehört zu den Normen des Verfahrensrechts, durch deren Verletzung Rechtsbeugung begangen werden kann, auch das aus dem Rechtsstaatsprinzip und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen. Bei der Entscheidung der Frage, ob in der verzögerten Bearbeitung einer Rechtssache ein Rechtsbruch im Sinne des § 339 StGB liegt, ist aber davon auszugehen, dass es grundsätzlich dem Richter oder Staatsanwalt überlassen bleibt, welchen der von ihm zu erledigenden vielfältigen Dienstgeschäften er den Vorrang vor anderen einräumt (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 111). Im Sinne des § 339 StGB strafrechtlich relevante Verstöße gegen den Beschleunigungsgrundsatz werden deshalb nur dann in Betracht kommen, wenn gegen zwingende Vorschriften verstoßen wird, in denen der Gesetzgeber das Beschleunigungsgebot konkretisiert hat (wie etwa in § 115 StPO), wenn der Richter oder Staatsanwalt untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln zwingend gebieten, oder wenn die zögerliche Bearbeitung auf sachfremden Erwägungen zum Vorteil oder Nachteil einer Partei beruht (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 111; Urteil vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, 350 f.). Allein eine verzögerte, den Maßstäben des Art. 6 EMRK widersprechende Sachbehandlung durch den Staatsanwalt oder Richter wird daher regelmäßig nicht die strengen Anforderungen an einen elementaren Rechtsverstoß im Sinne des § 339 StGB erfüllen.
32
So ist zwar in dem Zeitraum zwischen Anklagereife und dem Eintritt der Verjährung die in § 170 Abs. 1 StPO normierte Pflicht des Staatsanwalts, die öffentliche Klage zu erheben, im Lichte des Beschleunigungsgrundsatzes zu betrachten, der in jedem Abschnitt des Verfahrens gilt (vgl. Esser in Löwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., EMRK Art. 6 Rn. 310). Die Staatsanwaltschaft ist gehalten, in anklagereifen Fällen auch alsbald anzuklagen (vgl. Kölbel, aaO, § 170 Rn. 9). Indes kann weder aus § 170 Abs. 1 StPO noch allein aus dem Beschleunigungsgebot ohne weiteres ein konkreter Zeitpunkt abgeleitet werden , zu dem eine Anklageerhebung zwingend geboten ist. Soweit in Art. 6 Abs. 1 MRK davon die Rede ist, dass jede Person eine Verhandlung innerhalb „angemessener Frist“ verlangen kann, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff mit nur geringer Aussagekraft (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 110 [„wenig konkreter Maßstab“]; Esser, aaO, EMRK Art. 6 Rn. 314). Soweit die Strafkammer in diesem Zusammenhang darauf abgehoben hat, dass zu den von ihr für jeden Fall bestimmten Zeitpunkten eine weitere Untätigkeit „unter keinem rechtlichen wie tatsächlichen Ge- sichtspunkt mehr zu vertreten“ war, hat sie daher verkannt, dass die bloße Un- vertretbarkeit einer richterlichen oder staatsanwaltlichen Sachbehandlung für sich genommen noch nicht in eine Rechtsbeugung führt.

IV.


33
Danach können der Schuldspruch wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt im Fall II. 1. der Urteilsgründe und der nach der Ver- folgungsbeschränkung verbleibende Schuldspruch wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in zwei tateinheitlichen Fällen im Fall II. 2. der Urteilsgründe bestehen bleiben. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden , dass die Strafkammer bei der Prüfung und Versagung der Strafrahmenmilderung nach § 13 Abs. 2 StGB in beiden Fällen von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist, weil sie dem Angeklagten seine Untätigkeit bereits ab dem Zeitpunkt angelastet hat, in dem dies aus ihrer Sicht „unter keinem rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten“ war. Zu- dem verstößt nach der dargelegten Rechtsauffassung des Senats die strafschärfende Berücksichtigung des Eintritts der Verjährung gegen § 46 Abs. 3 StGB, was sich auch bei der Strafrahmenwahl zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben kann. Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafen. Im Fall II.2. der Urteilsgründe kommt hinzu, dass das Landgericht straferschwerend berücksichtigt hat, dass sich die Tat zugunsten von drei Beschuldigten auswirkte.
34
In den Fällen II. 3. bis II. 6. der Urteilsgründe bedarf die Sache insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer noch Feststellungen, insbesondere zu den Beweggründen der Untätigkeit des Angeklagten, zu treffen vermag, die auch in diesen Fällen die Annahme einer Rechtsbeugung etwa auf der Grundlage sachfremder Erwägungen rechtfertigen könnten. Dabei wird insbesondere zu erwägen sein, ob der Angeklagte von einer Anklageerhebung absah, um seine vorhergehenden Verfahrensmanipulationen nicht aufdecken zu müssen. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen (Feststellungen zu den den betreffenden Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Straftaten, zu Maßnahmen und Verfügungen des Angeklagten und zum Ausgang der betreffenden Verfahren) sind rechtsfehlerfrei getroffen und können bestehen bleiben.

V.


35
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Landgericht Karlsruhe.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

(1) Im Verfahren vor dem Strafrichter und im Verfahren, das zur Zuständigkeit des Schöffengerichts gehört, können bei Vergehen auf schriftlichen Antrag der Staatsanwaltschaft die Rechtsfolgen der Tat durch schriftlichen Strafbefehl ohne Hauptverhandlung festgesetzt werden. Die Staatsanwaltschaft stellt diesen Antrag, wenn sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich erachtet. Der Antrag ist auf bestimmte Rechtsfolgen zu richten. Durch ihn wird die öffentliche Klage erhoben.

(2) Durch Strafbefehl dürfen nur die folgenden Rechtsfolgen der Tat, allein oder nebeneinander, festgesetzt werden:

1.
Geldstrafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot, Einziehung, Vernichtung, Unbrauchbarmachung, Bekanntgabe der Verurteilung und Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung,
2.
Entziehung der Fahrerlaubnis, bei der die Sperre nicht mehr als zwei Jahre beträgt,
2a.
Verbot des Haltens oder Betreuens von sowie des Handels oder des sonstigen berufsmäßigen Umgangs mit Tieren jeder oder einer bestimmten Art für die Dauer von einem Jahr bis zu drei Jahren sowie
3.
Absehen von Strafe.
Hat der Angeschuldigte einen Verteidiger, so kann auch Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr festgesetzt werden, wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

(3) Der vorherigen Anhörung des Angeschuldigten durch das Gericht (§ 33 Abs. 3) bedarf es nicht.

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

Wird gegen einen Richter durch Urteil eines deutschen Gerichts im Geltungsbereich dieses Gesetzes erkannt auf

1.
Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer vorsätzlichen Tat,
2.
Freiheitsstrafe wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit strafbar ist,
3.
Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter oder
4.
Verwirkung eines Grundrechts gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes,
so endet das Richterverhältnis mit der Rechtskraft dieses Urteils, ohne daß es einer weiteren gerichtlichen Entscheidung bedarf.

(1) Wenn eine Beamtin oder ein Beamter im ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts

1.
wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder
2.
wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit oder, soweit sich die Tat auf eine Diensthandlung im Hauptamt bezieht, Bestechlichkeit, strafbar ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten
verurteilt wird, endet das Beamtenverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils. Entsprechendes gilt, wenn die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt wird oder wenn die Beamtin oder der Beamte aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Artikel 18 des Grundgesetzes ein Grundrecht verwirkt hat.

(2) Wird eine Entscheidung, die den Verlust der Beamtenrechte zur Folge hat, in einem Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben, gilt das Beamtenverhältnis als nicht unterbrochen.

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen.

(2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.

(1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.

(2) Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist.

(3) Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen sich auch auf die Umstände erstrecken, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. Dazu kann sie sich der Gerichtshilfe bedienen.

(4) Eine Maßnahme ist unzulässig, soweit besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(1) Ist in den Fällen des § 258 Abs. 1 der Täter als Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren oder dem Verfahren zur Anordnung der Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) oder ist er in den Fällen des § 258 Abs. 2 als Amtsträger zur Mitwirkung bei der Vollstreckung der Strafe oder Maßnahme berufen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) § 258 Abs. 3 und 6 ist nicht anzuwenden.

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.