Landgericht Essen Beschluss, 12. Okt. 2015 - 13 T 35/15
Gericht
Tenor
wird die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 17.08.2015 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hattingen vom 06.08.2015 (17 C 134/15) auf Kosten der Antragstellerin als unbegründet zurückgewiesen.
1
Gründe
2I.
3Die klagende Erbengemeinschaft, die Eigentümer des Hauses O-Str. … in T ist, hat gegen die Beklagte, die ein dingliches Wohnrecht an der in der ersten Etage des Hauses O-Str. … liegenden Wohnung hat, einen Anspruch auf Besichtigung der Räumlichkeiten durch die Mitglieder der Erbengemeinschaft im Beisein von Kaufinteressenten vor dem Hintergrund der Verkaufsabsichten der Antragstellerin an dem Grundstück im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens geltend gemacht.
4Im Verhandlungstermin vom 06.08.2015 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen und darin bestimmt, dass über die Kosten des Rechtsstreits und Vergleichs gem. § 91 a ZPO durch das Gericht entschieden werden soll. Das Amtsgericht hat sodann durch Beschluss vom 06.08.2015 die Kosten des Rechtsstreits der Antragstellerin zu 3/5 und die der Antragsgegnerin zu 2/5 auferlegt und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass diese Kostenquotelung billigem Ermessen und der vergleichsweisen Regelung entspreche vor dem Hintergrund, dass der Antragstellerin zwar ein Besichtigungsrecht gem. § 242 BGB zustünde, die Antragsgegnerin jedoch frei bestimmen könne, wer für die Antragstellerin die Besichtigung wahrnehme.
5Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 13.08.2015 zugestellten Beschluss hat diese mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17.08.2015, der noch am selben Tag beim Amtsgericht Hattingen einging, sofortige Beschwerde eingelegt. Sie meint, dass die Kosten des Rechtsstreits vollumfänglich der Antragsgegnerin aufzuerlegen seien, da diese das Bestehen eines Besichtigungsrechts der Antragstellerin in Abrede gestellt habe.
6Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern sie dem Landgericht als Beschwerdegericht vorgelegt.
7II.
81.
9Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nach den §§ 91 a Abs.2, 567 Abs.1 Nr.1, Abs.2 S.1 ZPO statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere wurde die Notfrist von zwei Wochen des § 569 Abs.1 ZPO gewahrt.
10Eine gerichtliche Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO ist über die Wortfassung der Vorschrift hinaus nicht auf Fälle übereinstimmender Erledigungserklärung beschränkt. Sie kann auch ergehen, wenn sich die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich nicht auf eine Kostenregelung verständigen können. Vorliegend haben die Parteien in dem Vergleich keine Kostenregelung getroffen und die Kostenfrage ausdrücklich einer Entscheidung des Gerichts nach § 91 a ZPO unterstellt. Damit haben die Parteien zu erkennen gegeben, dass sie die gesetzliche Regelung des § 98 ZPO vermeiden wollen. In so gelagerten Fällen ist nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur eine Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO möglich (BGH NJW 2007, 835; Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. Rn. 58 zu § 91 a Stichwort: „Vergleich“ mwN). Gegen diese Kostenentscheidung findet die sofortige Beschwerde nach § 91 a Abs.2 ZPO statt.
112.
12In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch erfolglos
13§ 91 a Abs.1 ZPO bestimmt, dass das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entscheidet. Bei der Ermessensentscheidung kann in Fällen wie dem vorliegenden neben dem zu erwartenden Verfahrensausgang auch der Inhalt des Vergleichs und der Umfang des wechselseitigen Nachgebens mit berücksichtigt werden (BGH a.a.O.). In der Regel hat derjenige die Kosten zu tragen, dem sie auch nach den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der ZPO aufzuerlegen gewesen wären.
14In Anwendung dieser Grundsätze ist jedenfalls eine für die Antragstellerin günstigere Kostenentscheidung nicht gerechtfertigt.
15Vorliegend kann dahinstehen, ob die Antragstellerin – wie das Amtsgericht angenommen hat - gem. § 242 BGB ein (personell beschränktes) Besichtigungsrecht hinsichtlich der Wohnung, an der der Antragsgegnerin ein dingliches Wohnrecht zusteht, für sich in Anspruch nehmen kann.
16Ein solches Besichtigungsrecht des Eigentümers für Räumlichkeiten, an denen ein dingliches Wohnrecht eines Dritten besteht, ist gesetzlich nicht vorgesehen.
17Gem. §§ 1093 I, 1034 BGB hat der Eigentümer gegen den dinglich Berechtigten lediglich einen Anspruch darauf, dass dieser die Begutachtung des Zustands einer Wohnung durch einen Sachverständigen auf Kosten des Eigentümers duldet und insoweit dem Sachverständigen auch Zutritt gewährt. Dies stellt angesichts des Umstands, dass das dingliche Wohnrecht der Antragsgegnerin ebenfalls eine gem. Art. 14 GG grundrechtlich geschützte Position darstellt, eine den beiderseitigen grundrechtlich geschützten (Eigentums-)Interessen gerecht werdende gesetzliche Regelung dar, so dass es nach Auffassung der Kammer schon zweifelhaft ist, ob allein der Umstand, dass die Antragsgegnerin seit einigen Jahren die Wohnung selbst nicht mehr bewohnt und die Antragstellerin das Grundstück veräußern will, die Herleitung eines Besichtigungsrechts gem. § 242 BGB rechtfertigt.
18Jedenfalls aber wäre ein solches aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) herzuleitende Zutrittsrecht auf das unbedingt erforderliche Ausmaß – mithin auf den Zutritt für etwaige Kaufinteressenten - zu beschränken, die Antragsgegnerin musste jedenfalls nicht einem Mitglied der Antragstellerin selbst den Zutritt gewähren. Der seitens der Antragstellerin im einstweiligen Verfügungsverfahren gestellte Antrag hätte demnach in der gestellten Form, wonach den Mitgliedern der Erbengemeinschaft im Beisein von Kaufinteressenten der Zugang zum Zwecke der Besichtigung gewährt werden sollte, jedenfalls keinen vollen Erfolg gehabt, sondern die Antragstellerin wäre teilweise unterlegen.
19Unter weiterer Berücksichtigung des Umstands, dass die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 09.07.2015 – unwidersprochen – vorgetragen hat, dass sie bereits bei einem Gespräch vom 21.05.2015, bei dem sie durch ihren Sohn vertreten wurde, Bereitschaft signalisiert habe, jedenfalls dem Kaufinteressenten den Zutritt zu den Räumen zu gewähren – allerdings ohne Teilnahme eines Mitglieds der Erbengemeinschaft - ist eine der Antragstellerin günstigere Kostenquotelung, mit der ihr weniger als 3/5 der Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden, nicht gerechtfertigt.
20Die hälftige Verteilung der Vergleichskosten entspricht dem Umfang des wechselseitigen Nachgebens und ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
213.
22Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs.1 ZPO zurückzuweisen.
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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses. Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Notfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Notfristen erhoben werden.
(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt werde.
(3) Die Beschwerde kann auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, wenn
Die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs sind als gegeneinander aufgehoben anzusehen, wenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben. Das Gleiche gilt von den Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits, soweit nicht über sie bereits rechtskräftig erkannt ist.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)