Amtsgericht Düsseldorf Urteil, 06. Okt. 2015 - 57 C 8581/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der klagenden Partei auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin hat das Gericht gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Mit Schreiben vom 27.09.2010 mahnte die Klägerin den Beklagten ab. In dem Abmahnschreiben gab die Klägerin an, am 02.05.2010 um 00:52 Uhr habe der Beklagte unter Verwendung der IP-Adresse ##### das Filmwerk „XXX“, an dem der Klägerin umfassende ausschließliche Nutzungsrechte zustünden, über ein Filesharing-Netzwerk verbreitet.
3Die Klägerin behauptet,
4an dem Filmwerk stünden ihr umfassende ausschließliche Nutzungsrechte zu. Sie behauptet weiter, die in dem genannten Schreiben genannte IP-Adresse sei im dort genannten Zeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet gewesen und der Beklagte habe das Filesharing selbst betrieben.
5Die Klägerin beantragt,
6den Beklagten zu verurteilen, an sie Schadenersatz gemäß Lizenzanalogie, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt, mindestens jedoch 400 Euro, zu zahlen sowie darüber hinaus Kosten der Abmahnung in Höhe von 555,60 Euro zu zahlen, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
7Der Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Der Beklagte bestreitet unter anderem die eigene Täterschaft und gibt hierzu an, die erwachsenen im Haushalt lebenden Söhne G2 und G3 hätten den Internetanschluss unter Verwendung eines jeweils eigenen Computers mitgenutzt.
10Das Gericht hat zur Frage des Betreibens des Filesharing Beweis erhoben durch Vernehmung des Beklagten als Partei.
11Entscheidungsgründe:
12Die zulässige Klage ist unbegründet. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte gemäß § 97 Abs. 2 UrhG durch Verbreitung des Werkes über ein Filesharing-Netzwerk das ausschließliche Nutzungsrecht der Klägerin verletzt hat. Dabei kann offen bleiben, ob die Rechteinhaberschaft der Klägerin bewiesen ist und ob die Ermittlung und Zuordnung der IP-Adresse ordnungsgemäß erfolgt ist, denn jedenfalls steht nicht fest, dass der Beklagte selbst das Filesharing betrieben hat.
13Gemäß der Bearshare-Entscheidung des Bundesgerichtshofs besteht zunächst eine durch den Anschlussinhaber zu widerlegende tatsächliche Vermutung seiner Alleinnutzung, die bereits dann widerlegt ist, wenn weitere Personen freien Zugriff auf den Anschluss hatten. Dies folgt daraus, dass schon in diesem Fall – unabhängig von der Nutzung zu einem konkreten Zeitpunkt – keine Lebenserfahrung mehr für die Täterschaft des Anschlussinhabers spricht. Eine solche aber ist Voraussetzung für die Begründung einer tatsächlichen Vermutung. Zusätzlich trifft den Anschlussinhaber sodann eine sekundäre Darlegungslast dahingehend vorzutragen, dass weitere Mitnutzer ernsthaft als mögliche Täter in Betracht kommen, in diesem Umfang trifft den Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch eine Recherchepflicht, eine Veränderung der Beweislast ist mit dieser sekundären Darlegungslast nicht verbunden, vielmehr ergibt diese sich ausschließlich daraus, dass der Vortrag von Tatsachen geboten ist, die für die Beklagtenseite leicht vortragbar sind, während sie sich der Sphäre der beweisbelasteten Klägerseite entziehen (BGH NJW 2014, 2360). Der sekundären Darlegungslast ist der Beklagte nachgekommen, indem er angegeben hat, die beiden im Haushalt lebenden volljährigen Söhne G2 und G3 hätten ebenfalls Zugriff auf den Internetanschluss gehabt. Die Söhne hätten jeweils über einen eigenen Computer verfügt, mit dem sie Zugriff auf das Internet genommen haben. Diese Angaben eröffnen die ernsthafte Möglichkeit der Täterschaft auch der Söhne, es bestehen nicht einmal mehr Anhaltspunkt dafür, dass die Täterschaft des Beklagten wahrscheinlicher ist als diejenige der Söhne, die ebenfalls über eigene Computer verfügen. Da die sekundäre Darlegungslast sich nur auf solche Tatsachen beziehen darf, die in der Sphäre des Belasteten üblicherweise zur Verfügung stehen, kann in diesem Zusammenhang auch nicht verlangt werden dazu vorzutragen, wer den Internetzugang im Zeitpunkt der behaupteten Verletzungshandlung tatsächlich genutzt hat, denn hierbei handelt es sich um Informationen, die auch in der Sphäre des Anschlussinhabers üblicherweise nicht zur Verfügung stehen, weil es sich bei der Internetnutzung um einen alltäglichen Vorgang handelt, der nicht konkret erinnert werden kann und über den auch kein Buch geführt wird. Auch im Zeitpunkt der Abmahnung Ende September 2010 lag die behauptete Rechtsverletzung bereits nahezu 5 Monate zurück, sodass auch bereits zu diesem Zeitpunkt in der Sphäre des Anschlussinhabers nicht mehr bekannt sein konnte und auch nicht mehr aufgeklärt werden konnte, welche Person den Anschluss Anfang Mai 2010 konkret genutzt hat. Insoweit hat der Beklagte ergänzend im Rahmen seiner Darlegungslast vorgetragen, er habe seine Söhne befragt, diese hätten die Verletzungshandlung jedoch nicht zugegeben. Weitere im Rahmen einer familiären Gemeinschaft zumutbare Aufklärungsmöglichkeiten sind somit nicht mehr gegeben (vgl. überzeugend zu den Grenzen der sekundären Darlegungslast LG Hannover MMR 2015, 611).
14Rechtsfolge des Nachkommens der sekundären Darlegungslast ist, dass die Klägerin nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln die Beweislast für die Täterschaft des Beklagten trifft. Dieser Beweis ist ihr jedoch nicht gelungen. Insoweit hat sie als einziges Beweismittel die Parteivernehmung des Gegners angeboten. Dies ist zwar gemäß § 445 Abs. 1 ZPO zulässig, jedoch konnte der Beweis nicht geführt werden, weil der als Partei vernommene Beklagte erklärt hat, das Filesharing nicht betrieben zu haben. Dass auch die mitnutzenden Söhne ihrerseits gegenüber dem Beklagten nicht zugegeben haben, das Werk der Klägerin über Filesharing verbreitet zu haben, führt nicht dazu, dass der Beklagte als allein möglicher Täter verbleibt, weil es ebenso möglich ist, dass einer der Söhne die Rechtsverletzung begangen hat, dem Beklagten gegenüber dies jedoch nicht zugegeben hat.
15Auch ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung aus §97a UrhG besteht nicht. Die Störerhaftung setzt die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Solche bestehen gegenüber volljährigen Mitnutzern aber nicht (BGH NJW 2014, 2360).
16Der Streitwert wird auf 955,00 EUR festgesetzt.
17Rechtsbehelfsbelehrung:
18Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
191. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
202. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
21Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
22Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Düsseldorf zu begründen.
23Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
24Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Annotations
(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70), Lichtbildner (§ 72) und ausübende Künstler (§ 73) können auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.
(1) Eine Partei, die den ihr obliegenden Beweis mit anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht hat, kann den Beweis dadurch antreten, dass sie beantragt, den Gegner über die zu beweisenden Tatsachen zu vernehmen.
(2) Der Antrag ist nicht zu berücksichtigen, wenn er Tatsachen betrifft, deren Gegenteil das Gericht für erwiesen erachtet.
(1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.
(2) Die Abmahnung hat in klarer und verständlicher Weise
- 1.
Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt, - 2.
die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen, - 3.
geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln und - 4.
wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, ob die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung erheblich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.
(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 4 entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1 000 Euro, wenn der Abgemahnte
- 1.
eine natürliche Person ist, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und - 2.
nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.
(4) Soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist, kann der Abgemahnte Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, es sei denn, es war für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war. Weitergehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.